DIE RECHTSBERATERKONFERENZ
der mit den Wohlfahrtsverbänden und
dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen
zusammenarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
c/o Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann, Hofhaus · Alsenstrasse 17, D-52068 Aachen, Tel: 0241/949700, Fax: 0241/9497029
66 Forderungen an die Politik
zum Flüchtlingsrecht, Ausländerrecht und Staatsangehörigkeitsrecht
April 2003
Sehr geehrte Damen und Herren!
Anfang 1999, hat sich die Rechtsberaterkonferenz bereits einmal mit einer Liste von „50 Forderungen“ an die Politik gewandt. Seither sind vier Jahre vergangen. In diesem Zeitraum haben sich im Bereich des Asyl-, Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts eine Reihe von Veränderungen ergeben. Darunter (auch) Verbesserungen. In denselben Zeitraum fallen weitere Veränderungen, wie die zunehmende Vereinheitlichung im europäischen Raum, der verdienstvolle Bericht der von dem Bundesminister des Inneren berufenen Zuwanderungskommission sowie der letztlich im Parlament gescheiterte Versuch, ein Zuwanderungsgesetz zu verabschieden.
Unsere Forderungen des Jahres 1999 standen unter dem Oberthema: Das Leben von vielen Menschen in der Bundesrepublik zu erleichtern, einen „modernen Staat“ schaffen zu helfen und den Menschen- und Bürgerrechten von Ausländern in der Bundesrepublik mehr Gewicht zu verschaffen. Dies ist nach wie vor aktuell.
Von den „50 Forderungen“ sind in den letzten vier Jahren einige umgesetzt worden, eine beträchtliche Anzahl harrt jedoch noch der Verwirklichung. Neue Notwendigkeiten ergeben zudem neue Forderungen. Dies betrifft auch Fehlentwicklungen im Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes.
Mit der Notwendigkeit der Neu-Diskussion des Zuwanderungsgesetzes ist, so finden wir, ein geeigneter Zeitpunkt gekommen, Ansprüche zu formulieren.
Wir wenden uns deshalb heute als Praktiker erneut an Sie und unterbreiten Ihnen wiederum einen Forderungskatalog. Wiederholungen alter Vorschläge, die noch nicht umgesetzt wurden, sind selbstverständlich.
Der Übersichtlichkeit wegen haben wir hervorgehoben, wo aus unserer Sicht eine Gesetzesänderung (G) oder eine Veränderung auf dem Verordnungswege (V) notwendig ist.
Wir bitten Sie um wohlwollende Beachtung der Forderungen und würden uns über Ihre Reaktion, noch mehr aber über deren Umsetzung freuen.
F l ü c h t l i n g s r e c h t:
1. Eine wirklich großzügige Altfallregelung sollte geschaffen werden
V Eine Altfallregelung für (ehemalige) Asylbewerber und Flüchtlinge, die sich seit drei Jahren in Deutschland aufhalten ist eine dringend notwendige humanitäre Geste. Sie wird auch zur Entlastung von Behörden und Gerichtsbarkeit beitragen.
Die vorgeschlagene Frist von drei Jahren entspricht dem 26-fachen des sechs-wöchigen Zeitraumes, den der „Asylkompromiss“ für ein durchschnittliches Asylverfahren vorgesehen hatte.
Die „Altfallregelung 1999“ hat für einen begrenzten Personenkreis positive Auswirkungen gehabt. Es ist jedoch aus unserer Sicht eine sehr viel großzügigere Regelung jetzt erforderlich.
2. Volle Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)
G § 51 des Ausländergesetzes (AuslG) übernimmt den Flüchtlingsbegriff der GFK.
Dies entspricht der Verpflichtung der Bundesrepublik aus der Unterzeichnung dieser Konvention. Trotzdem finden in Deutschland große Gruppen schutzbedürftiger Flüchtlinge durch die Rechtsprechung keinen Schutz, weil schlimmste Menschenrechtsverletzungen in Bürgerkriegssituationen nicht asylerheblich sein sollen. Das deutsche Flüchtlingsrecht ist wieder in Übereinstimmung mit der GFK, der Ansicht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und der weit überwiegenden Staatenpraxis europäischer Länder zu bringen.
Eine Regelung in Erlassen oder Verwaltungsvorschriften (die es zum Asylrecht gar nicht gibt) wäre unzureichend, da die Rechtsprechung hieran nicht gebunden ist. Deshalb ist eine Gesetzesänderung notwendig.
Ersatzweise sollte die Bundesrepublik der sog. „Qualifikationsrichtlinie“ der EU zustimmen. Derzeit ist die Bundesrepublik der einzige Mitgliedstaat der EU, der die Regelungen dieses Richtlinienentwurfs blockiert. Dies ist angesichts der Entwurfsfassung des Zuwanderungsgesetzes überhaupt nicht nachvollziehbar.
3. Abschiebungsschutz muß sich wieder an der Europäischen Menschrechtskonvention (EMRK) orientieren
G Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als authentischer Interpretator der EMRK entscheidet in ständiger Rechtsprechung, daß Abschiebungshindernisse (Art. 3 EMRK) immer dann bestehen, wenn – egal durch wen -konkret die Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung im Zielstaat droht. Obwohl § 51 Absatz 4 AuslG ausdrücklich die Abschiebungshindernisse nach der EMRK in Bezug nimmt, verweigert das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) dem EGMR die Gefolgschaft und bringt die Bundesrepublik damit in die Gefahr, Völkerrechtsverstöße zu begehen.
Durch Gesetzesänderung ist klarzustellen, daß als Abschiebungshindernis das zu gelten hat, was die Rechtsprechung des EGMR als solche bezeichnet.
4. Das Refoulment-Verbot der GFK muß wieder voll angewandt werden
G Abschiebungen von Flüchtlingen in Drittstaaten, in denen die Gefahr einer „Kettenabschiebung“ in den Heimatstaat droht, sind auszusetzen. Dementsprechend ist für solche Fälle auch wirksamer (einstweiliger) Rechtsschutz mit aufschiebender Wirkung vor den Gerichten vorzusehen.
5. Geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund
G Geschlechtsspezifische Verfolgung insbesondere (aber nicht ausschließlich) gegenüber Frauen muß endlich als Asylgrund anerkannt werden. Auf die entsprechenden Beschlüsse des UNHCR-Exekutivkomitees und der Frauenministerinnenkonferenz vom 25./26. Juni 1997 wird hingewiesen.
6. Kriegsdienstverweigerung als Asylgrund
G Wehrdienstentziehung ist ebenfalls als Asylgrund anzuerkennen. Dies gilt insbesondere für Staaten, die sich an eindeutig völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligen, etwa wenn die UN-Vollversammlung oder der Sicherheitsrat hierzu einen Beschluss gefasst haben. Es darf unter zivilisierten Staaten unter keinen Umständen akzeptabel sein, dass man anderen Staaten das Recht zuspricht, seine Bürger zur Beteiligung an völkerrechtswidrigen Maßnahmen zwangsweise zu verpflichten.
7. Das „Flughafenverfahren“ ist ersatzlos zu streichen
G Die Sondersituation am Flughafen ist dazu angetan, den „echten politischen Flüchtling“, insbesondere Folteropfer, auf der Strecke bleiben zu lassen. Die Unterbringung von Flüchtlingen in haftähnlicher Weise garantiert kein faires Asylverfahren. Die Rechtsmittelfristen verhindern eine effektive Rechtswahrnehmung.
Sollte eine ersatzlose Streichung des „Flughafenverfahrens“ politisch nicht durchsetzbar sein, sind die gravierendsten Auswüchse durch Gesetzesänderung zu beseitigen.
8. Das Familienasyl ist großzügiger auszugestalten
G Auch die Ehegatten und minderjährigen Kinder von nach der GFK anerkannten Flüchtlingen sollen denselben Status erhalten, wie die „Stammberechtigten“.
Für im Bundesgebiet geborene minderjährige Kinder von Flüchtlingen ist allgemein eine Frist von einem Jahr zur Asylantragstellung einzuräumen, wie es jetzt schon für Kinder von anerkannten Asylberechtigten der Fall ist (§ 26 Absatz 1 Satz 2 AsylVfG).
Die durch die Rechtsprechung entwickelte Antragsfrist von zwei Wochen für Kinder von nicht rechtskräftig anerkannten Flüchtlingen ist viel zu kurz. Für eine solche „Engherzigkeit“ ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich.
Familienasyl soll in Zukunft wieder auch vor Anerkennung des „Stammberechtigten“ zugesprochen werden können. Die Gesetzesänderung vom 29.10.1997 führt nur zu unnötiger Anhäufung von Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
9. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten ist abzuschaffen
G Die vielen Klagen dieses Amtes führen zu erheblicher Verfahrensverzögerung und Überlastung der Gerichte. Zudem sind viel zu wenige Fälle bekannt, in denen der Bundesbeauftragte zugunsten von Flüchtlingen tätig wird.
Die Abschaffung dieses in Europa einzigartigen Amtes würde auch der europäischen Rechtsangleichung dienlich sein.
10. Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider beim Bundesamt beibehalten
G In den meisten Fällen von Asylbegehren ist über Glaubwürdigkeitsfragen zu entscheiden. Derartiges kann nicht durch Weisungen geregelt werden. Die Unabhängigkeit der Einzelentscheider ist trotz Abschaffung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten vernünftig. Sie sollte beibehalten werden.
Außergewöhnlichen Fällen kann durch die schon jetzt existierende Möglichkeit von Rücknahme und Widerruf Rechnung getragen werden.
11. Herkunftsländer–Leitsätze (HKL) nachprüfbar gestalten
G Während der Phase bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über dieVerfassungswidrigkeit des Zuwanderungsgesetzes wurden durch das Bundesamt Herkunftsländer-Leitsätze aufgestellt. Es ist zu erwarten, dass dies wieder geschieht, sollte die Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider abgeschafft werden. Für diesen Fall aber auch für den Fall, dass solche HKL nur für eine „Beratung“ der Einzelentscheider wirken (wie jetzt die „Textbausteine“ zu einzelnen Herkunftsländern beim Bundesamt) gilt folgendes:
Diese HKL dürfen nicht als „Geheimpapier“ behandelt werden.
Sie sollten vielmehr unter Beteiligung erfahrener Personen und Institutionen (Menschenrechtsorganisationen, Flüchtlingsorganisationen etc.) erstellt und der Kritik der Fach-Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
12. Die Rechtsmittelfristen im Asylverfahren sind zu harmonisieren
G Einzig im Asylverfahren gibt es Klagefristen von einer Woche und Begründungsfristen (für die Zulassung der Berufung) von zwei Wochen. Dieses Sonderrecht gegen Flüchtlinge ist zu ändern und mit den Fristen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu harmonisieren.
13. Familiennachzug (auch) zu Konventionsflüchtlingen verbessern
G Wie es der UNHCR fordert, sind Konventionsflüchtlinge, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis haben, den anerkannten Asylberechtigten gleich zu stellen. Oftmals müssen nach der GFK anerkannte Flüchtlinge viele Jahre auf die Genehmigung zum Familiennachzug warten und Trennungsfristen ertragen, die unzumutbar sind.
In § 17 Absatz 3 und § 18 Absatz 1 Nr. 2 AuslG sind Konventionsflüchtlinge aufzunehmen.
Das Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen von Flüchtlingen ist als Anspruch auszugestalten (wie beim Familiennachzug zu Deutschen – § 23 AuslG).
14. Schutz für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
G Diese Kinder sind besonders schutzbedürftig. Sie dürfen nicht in Lagern oder Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Dem Asylverfahren ist ein „Clearingverfahren“ vorzuschalten.
Den Kindern ist ein staatlich honorierter Pfleger zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen. Die Jugendämter sind hiermit mangels Rechtskenntnis oftmals überfordert und gelegentlich (Beispiel Berlin) verstehen sie sich als „verlängerter Arm“ der Asylbehörden.
15. Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist abzuschaffen, zumindest sind die Beträge anzupassen
G Die besondere Behandlung von Flüchtlingen, die für diese Personengruppe ein Existenzminimum unterhalb dem anderer Bürger definiert, ist diskriminierend. Auch ist der „Sachleistungsvorrang“ des Asylbewerberleistungsgesetzes teurer als die Hingabe von Geld. Dieses Prinzip führt zudem zur Entmündigung von Flüchtlingen.
Die im Entwurf des Zuwanderungsgesetzes sogar noch vorgesehene Erweiterung des Personenkreises, der unter das AsylbLG fällt, ist abzulehnen.
Die Abschaffung des AsylbLG dient dem Abbau der Bürokratie und der Verschlankung des Rechtsstaates.
Im Mindestfall sind jedoch die seit Jahren unveränderten Beträge der Leistungen nach dem AsylbLG anzupassen.
16. Die Unterbringung von Asylbewerbern ist zu verbessern
G Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften als Regelform ist abzuschaffen. Nicht selten ist die Unterbringung in den von den Flüchtlingen selbst gesuchten Unterkünften (Wohnungsmarkt, Verwandte) sehr viel preisgünstiger.
17. Bleiberecht für Folteropfer
V Gefolterte und misshandelte Flüchtlinge (nicht nur aus Bosnien-Herzegowina) dürfen nicht zur Rückkehr in den Heimatstaat gezwungen werden, auch wenn dort
zwischenzeitlich andere Verhältnisse herrschen. Dies ist ein Gebot der Menschlichkeit. Die Gefahr der Retraumatisierung bei zwangsweiser Rückführung ist wissenschaftlich über jeden Zweifel erhaben belegt. Die Erfahrung zeigt zudem, daß solche Personen nicht selten aus freien Stücken nach einer gewissen Zeit der Rehabilitation zurückkehren (Beispiel Chile).
18. Fairere Berichterstattung durch das Auswärtige Amt (AA)
V Lageberichte und Einzelauskünfte des AA in Asylverfahren werden fast immer kritiklos zur Entscheidung in Asylverfahren herangezogen. Die Praxis zeigt, dass solche Verlautbarungen jedoch oftmals von außenpolitischen Rücksichtsnahmen geprägt sind und nicht selten unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten.
Im Auswärtigen Amt sollte ein Gremium zur Beratung/Überwachung der Auskunftspraxis des Auswärtigen Amtes einberufen werden, in dem Menschenrechtsvereinigungen maßgeblich mitwirken.
Der neuerlich gemachte Versuch des AA, die Diskussion seiner Einzelauskünfte und Lageberichte in der Fachöffentlichkeit zu verhindern, indem es seine Auskünfte als „vertraulich“ einstuft, ist sofort ersatzlos einzustellen. Wenn das AA schon als „Gutachter der Bundesrepublik in eigener Sache“ in Asylverfahren zugelassen wird, ist es dringlich erforderlich, dessen „Erkenntnisse“ einer kritischen Würdigung zu unterziehen.
19. Sachaufklärungspflicht des Bundesamtes konkretisieren und verbessern
G Gegen die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung wird beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) leider noch immer (wenn auch seltener als früher) verstoßen. Gesetzgeberische Maßnahmen bleiben jedoch angezeigt: In einer besonderen Verfahrensvorschrift des AsylVfG ist klarzustellen, daß es zur Pflicht des BAFl gehört, bei Zweifeln durch Nachfrage Klarheit zu schaffen, angebliche Widersprüche dem Flüchtling mitzuteilen, und daß nach Beweisen zu fragen ist und Beweise zu erheben sind. Nach der mündlichen Anhörung beim BAFl und vor Erlaß eines negativen Bescheides ist ein Anhörungsverfahren durchzuführen, wie es § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorsieht.
20. Faireres Verfahren für Folteropfer und Opfer sexueller Gewalt
G Der besonderen Situation dieser zwei Gruppen muß – noch mehr als bisher – Rechnung getragen werden. Hierbei wird nicht übersehen, dass das BAFl in den letzten vier Jahren beachtliche Anstrengungen unternommen hat.
Die Bundesrepublik darf sich nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen verschließen, daß Personen aus diesen Gruppen sich oftmals erst sehr spät anvertrauen. Jedenfalls für diese Personengruppen ist klarzustellen, daß auch erst im weiteren Verlauf des Asylverfahrens (z. B. Gerichtsverfahren) vorgebrachte Tatsachen nicht als „gesteigertes Vorbringen“ abgewertet werden dürfen.
Die Resolution Nr. 73-1993 des UNHCR-Exekutivkomitees ist umzusetzen.
In Fällen dieser Personengruppen müssen Behörden und Gerichte verpflichtet werden, Stellungnahmen unabhängiger Gutachter zur Glaubwürdigkeit und zur Traumatisierung einzuholen.
Vorstehendes ist gesetzlich zu regeln, da Verwaltungsvorschriften (die es im Asylrecht derzeit nicht gibt) Gerichte nicht binden.
Gleichfalls ist gesetzlich vorzusehen, dass bei Geltendmachung von Traumatisierung oder geschlechtsspezifischer Verfolgung sowie bei minderjährigen Asylsuchenden verpflichtend ein „Sonderbeauftragter“ für die genannten Personengruppen beim BAFl einzusetzen ist.
21. „Sprachanalysen“ sind nicht akzeptabel
G Zur Feststellung der Herkunft von Flüchtlingen wird beim BAFl verstärkt auf „Sprachanalysen“ zurückgegriffen und hierauf fußend oftmals Unglaubwürdigkeit angenommen. Sprachanalysen sind, hierin ist sich die Wissenschaft einig, unseriös und nur in seltensten Fällen geeignet, eine verlässliche Grundlage für Entscheidungen zur Herkunft von Flüchtlingen zu bilden. Wieso dieses Verfahren gleichwohl angewandt wird, ist nicht nachvollziehbar.
Gesetzliche Vorschriften, die diese unseriösen Verfahren fördern, sind ersatzlos zu streichen.
22. Kompetenzen der Beauftragten für Ausländerfragen erweitern
G Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen sollte eine originäre Zuständigkeit auch für Asylsuchende und Flüchtlinge erhalten.
Alleine ein Kabinettsbeschluss kann die Aufgaben dieses Amtes, die gesetzlich festgelegt sind, § 91a AuslG, nicht verändern.
23. Sachkundige Vertretung von Flüchtlingen sicherstellen
G Durch § 83b Absatz 2 AsylVfG ist der Gegenstandswert von Asylklagen – einzigartig im Rechtssystem der Bundesrepublik – auf unerklärlich niedrigem Niveau festgeschrieben worden. Das Niveau liegt noch unter dem des „verwaltungsrechtlichen Regelstreitwerts“ nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. In Asylverfahren wird aber oftmals über Leben und Tod entschieden. Seriös geführte Asylverfahren sind sehr zeitaufwendig. Die Anwaltsgebühren aufgrund der gesetzlichen Gebührenfestschreibung sind nicht kostendeckend. Dies führt dazu, daß sachkundige Anwälte zu diesen Gebühren oftmals nicht vertreten können, mit dem Ergebnis, dass Flüchtlingen sachgerechter anwaltlicher Beistand vorenthalten wird.
Deshalb ist § 83b Absatz 2 AsylVfG ersatzlos zu streichen. § 78 Absatz 6 AsylVfG ist wieder so in Kraft zu setzen, wie er vor der Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 7.11.1996 (BGBl I, 1629) galt.
Wegen der besonderen Bedeutung eines Verfahrens auf Flüchtlingsanerkennung, wegen der kurzen Fristen im Verfahren und wegen der fast immer bestehenden
Überforderung von Flüchtlingen ist durch Gesetz festzulegen, dass jeder Asylsuchende, der einen Anwalt nicht bezahlen kann, Anspruch auf kostenfreie Beiordnung eines Rechtsanwalts im vorgerichtlichen (und zwar schon vor der Anhörung!)
und im gerichtlichen Verfahren hat. Die Vorschriften und die Gebührensätze des Beratungshilfegesetzes sind hierfür nicht ausreichend. Es ist daran zu denken, die Sätze aus dem Bereich der Pflichtverteidigung heranzuziehen.
24. Übersetzung von Asylentscheidungen
G Die Amtsprache in der Bundesrepublik ist Deutsch, das wissen wir. Diese Amtssprache sprechen die meisten Flüchtlinge jedoch nicht. Es ist deshalb eine gesetzliche Vorschrift aufzunehmen, dass Ablehnungsbescheide einem Asylantragsteller in eine für ihn verständliche Sprache übersetzt werden.
Im Mindestfall gilt diese Forderung für den Tenor der negativen Entscheidung und die Rechtsmittelbelehrung.
25. Fluchtgründe sind unteilbar
G § 28 Abs. 2 AsylVfG-E sieht vor, dass subjektive Nachfluchtgründe in der Regel in einem Asylfolgeverfahren nicht berücksichtigt werden sollen.
Dies verstößt nach Ansicht des UNHCR und nach unserer Ansicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Die GFK unterscheidet nicht zwischen Vor- und Nachfluchtgründen, sondern geht davon aus, dass Personen, deren Leben oder Freiheit aus einem in der Konvention genannten Gründe gefährdet ist, geschützt werden müssen.
Vorschlag: § 28 Abs. 2 AsylVfG-E ist daher zu streichen.
26. Nationalstaatlich aufgestellte Mitwirkungspflichten sind kein
Selbstzweck, ihre Missachtung darf nicht zum Ausschluss von einem fairen Asylverfahren führen
G In § 20 Abs. 1, 2, in § 22 Abs. 3 und § 23 Abs. 2 AsylVfG-E soll der absolut neben-sächliche Verstoß gegen bestimmte Mitwirkungspflichten zu einem völligen Ausschluss vom Erstasylverfahren führen. Ein gegen formale Vorschriften Verstoßender soll von Gesetzes wegen so behandelt werden, als habe er einen Folgeantrag gestellt. Dies wird verbunden mit der Konsequenz, dass tatsächlich bestehende Verfolgungsgründe völlig außer betracht bleiben.
Das ist absolut unannehmbar und es stellt einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention dar.
Erklärt werden kann die Aufnahme einer solchen Vorschrift in den Entwurf des Zuwanderungsgesetzes nur mit ordnungsbehördlicher Phobie. Dieser Vorschlag ist empörend, er ist vergleichbar einer – gedachten – Vorschrift in einem sozialen Leistungsgesetz, welche vorschreibt, dass bei der Benutzung von gelbem statt weißem Papier etwa ein Rentenanspruch nicht gewährt wird.
Vorschlag: Die genannten Vorschriften im AsylVfG-E sind ersatzlos zu streichen.
27. Überprüfung von Asylentscheidungen ohne Automatismus
G In § 73 Abs. 2 a AsylVfG-E ist vorgesehen, dass spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit einer positiven Asylentscheidung die Voraussetzung eines Widerrufs/einer Rücknahme überprüft werden müssen.
Dieser Automatismus ist nicht sinnvoll, er schafft zudem unabsehbaren neuen Personalbedarf. Das widerspricht der Idee vom „schlanken Staat“.
Vorschlag: § 73 Abs. 2 a AsylVfG-E ist zu streichen.
Sofern diesem Vorschlag nicht gefolgt wird, muß zumindest eine Ergänzung in den AsylVfG-E aufgenommen werden, der dem Bundesamt eine – kurze – Frist für die Überprüfungsentscheidung setzt, denn von dieser Entscheidung sind andere Rechtspositionen eines Flüchtlings (Verlängerung des Aufenthaltsrechts, Einbürgerung) abhängig.
28. Abschaffung der Residenzpflicht
G Die räumliche Beschränkung des Aufenthalts von Asylbegehrenden (§§ 56 ff. AsylVfG) dient keinem nachvollziehbaren Ziel. Sie hat lediglich diskriminierende Wirkung. Die Strafbewehrung eines Verstoßes gegen diese Vorschriften (§ 85 Ziff. 2 AsylVfG), kriminalisiert Asylbewerber in völlig unnötiger Weise.
Vorschlag: §§ 56, 57, 58, 59 und § 85 Ziff. 2 AsylVfG sind zu streichen.
A u s l ä n d e r r e c h t
29. Ausweisungsschutz für langjährig hier Lebende verbessern
G Langjährig in Deutschland lebende Migranten sind „Inländer ausländischer Staatsangehörigkeit“. Ihre Lebensperspektive liegt in unserem Land, nicht im früheren Heimatland, welches sie oftmals gar nicht kennen. Seit dem 1.1.1991 sind mehrere Verschärfungen der Ausweisungsvorschriften vorgenommen worden. Diese sind rückgängig zu machen.
Für diesen Personenkreis ist außerdem festzulegen, dass er nicht aus „generalpräventiven“ Gründen ausgewiesen werden darf. Ausweisungsmöglichkeiten sollen einzig und allein wegen des persönlichen Verhaltens denkbar sein, wie dies der Europäische Gerichtshof in Luxemburg auch für EU-Staatsangehörige vorgeschrieben hat.
Hier in Deutschland Geborene ausländische Kinder sollen überhaupt nicht ausgewiesen werden dürfen.
30. Verfestigter Aufenthalt nur durch Ausweisung beendbar
G Wer seit so langer Zeit in Deutschland lebt, dass ihm ein Daueraufenthaltsrecht zuerkannt wurde (unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach dem AuslG bzw. Niederlassungserlaubnis nach dem AufenthG-E) soll sicher sein können, dass sein Aufenthalt nicht beendet werden kann, es sei denn, er erfüllte einen Ausweisungstatbestand.
Im Gesetz ist deshalb zu regeln, dass die allgemeinen Vorschriften nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (Widerruf/Rücknahme), von Fällen der Täuschung/Drohung abgesehen, nicht im Ausländerrecht Anwendung finden.
31. Familienzusammenführung erleichtern
G Die Regelung zum Ehegatten- und Kindernachzug der Bundesrepublik bleibt hinter dem völkerrechtlichen Standard (Art. 8 EMRK) zurück.
Ehegatten- und Kindernachzug sollte nach einem Jahr rechtmäßigem Aufenthalt ermöglicht werden.
Das Nachzugsalter für minderjährige Kinder ist wieder auf 18 Jahre festzusetzen, wie es europäischer Rechtstradition entspricht.
Ausländische Sorgerechtsentscheidungen sind in Deutschland umzusetzen; hieraus folgt, daß Kindernachzug zum Sorgerechtsinhaber zwingend möglich sein muß.
Die verfassungswidrige geschlechtsspezifische Diskriminierung, wonach einem hier geborenen Kind nur dann von Amts wegen die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (§ 21 Absatz 1 AuslG) ist zu streichen.
Familiennachzug soll auch zu Personen, die ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Fällen erhielten ermöglicht werden. Der in § 29 Abs. 3 S. 2 AufenthG-E verfügte völlige Ausschluss des Familiennachzugs für diesen Personenkreis stellt einen Rückschritt gegenüber der jetzt geltenden Rechtslage dar.
Vorschlag: Diese Vorschrift ist aus dem Gesetzentwurf zu streichen.
V Auch wenn der Sorgerechtsinhaber nicht ein (leiblicher) Elternteil ist, ist Familiennachzug zu ermöglichen, da es sich auch in diesem Fall um eine „Familie“ im Sinne von Art. 8 EMRK handelt.
Die diskriminierenden Verwaltungsvorschriften, daß Familiennachzug zu Studenten aus der Dritten Welt mit Aufenthaltsbewilligung (regelmäßig von nicht-weißer Hautfarbe) nicht erlaubt wird, sind ersatzlos zu streichen.
32. Fristen für Aufenthaltsverfestigung herabsetzen
G Mit Blick auf die seit dem Jahr 2000 im Einbürgerungsrecht geltende Verkürzung der Einbürgerungsfristen sind auch die Fristen für die Aufenthaltsverfestigung (unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung) zu verkürzen. Vorschlag:
- unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach dreijährigem rechtmäßigen Aufenthalt mit Aufenthaltserlaubnis (§ 24 AuslG) oder Aufenthaltsbefugnis (§ 35 AuslG);
- Aufenthaltsberechtigung nach zweijährigen Besitz der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
33. Steuerfinanzierte Sozialleistungen als Einkommen anerkennen
G Für die Aufenthaltsverfestigung ist oftmals die Finanzierung des Lebensunterhaltes aus eigenen Mitteln Voraussetzung. Hierzu sollen nach verbreiteter Rechtsprechung Erziehungsgeld und Wohngeld nicht zählen. Das ist nicht nachvollziehbar.
Es ist gesetzlich anzuordnen, daß diese sozialen Transferleistungen bei der Einkommensberechnung heranzuziehen sind.
34. Familienleistungen auch für Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht
G Personen mit einem humanitären Aufenthaltsrecht, der Aufenthaltsbefugnis (künftig: Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen) werden Familienleistungen (Erziehungsgeld, Kindergeld) vorenthalten. Dies soll nach dem Willen der Entwurfsverfasser des Zuwanderungsgesetzes auch in Zukunft so bleiben.
Diese Rechtslage und künftige Absicht ist nicht nachvollziehbar. Sie ist sogar kontraproduktiv.
Auch Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht haben dieselben Aufwendungen für Kinder, wie andere Ausländer und/oder Deutsche. Ihnen sind diese Leistungen in gleicher Weise zu gewähren.
35. Recht und Praxis der Abschiebungshaft reformieren
G Die Ausgestaltung und Dauer von Abschiebungshaft in der Bundesrepublik Deutschland sind eines modernen Rechtsstaates unwürdig. Eine Verkürzung der Verfahrensdauern und die Verringerung der Abschiebungshaftzahlen dient auch der Verwaltungsvereinfachung und der Kosteneinsparung.
Abschiebungshaft wird auch viel zu häufig zur Erleichterung behördlicher Tätigkeit beantragt und verhängt.
Vorschlag: Die Dauer der Abschiebungshaft ist auf einen Monat (in Ausnahmefällen drei Monate) zu begrenzen.
Schwangere, Eltern mit Kleinkindern und Minderjährige dürfen nicht in Abschiebungshaft genommen werden.
Über die Freiheitsbeschränkung hinaus dürfen keinerlei weitere haftähnlichen Maßnahmen ergriffen werden (z. B. Besuchsverbot, Disziplinarmaßnahmen etc.).
Vollzug von Abschiebungshaft gemeinsam mit Untersuchungs- bzw. Strafhäftlingen ist zu untersagen.
36. Rechtsansprüche ohne Vorbehalt gewährleisten
G Das Ausländergesetz kennt eine Reihe von Anspruchstatbeständen. Deren Verwirklichung steht jedoch nahezu immer unter dem Vorbehalt, dass „kein Ausweisungsgrund vorliegt“. Nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung gilt als „Ausweisungsgrund“ jede im Gesetz benannte theoretische Möglichkeit der Ausweisung, egal ob diese praktisch tatsächlich zu einer Ausweisung führen dürfte. Dieser Interpretation ist gesetzlich ein Riegel vorzuschieben. Sofern für Rechtsansprüche überhaupt ein Vorbehalt gelten soll, ist zu formulieren „vorbehaltlich des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes, der auch tatsächlich zur Ausweisung führt (Ausweisungstatbestand)“.
Außerdem ist § 8 Absatz 1 AuslG zu streichen. Aufgrund dieser Vorschrift wird die Durchsetzung von Rechtsansprüchen unter den – unnötigen – Vorbehalt der Einhaltung bloßer Förmlichkeiten gestellt. Durch die Abschaffung wird eine wesentliche Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens und eine Entlastung der Verwaltungsgerichte erreicht.
37. Erlöschenstatbestände bei Aufenthaltstiteln reduzieren
G Nach § 44 AuslG (§ 51 AufenthG-E) erlischt fast jeder Aufenthaltstitel, wenn ein Ausländer sich aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grunde ins Ausland begibt oder dort für länger als sechs Monate verweilt, egal was die Gründe hierfür sind. Insbesondere im letztgenannten Fall kommt es zu völlig unerträglichen Härtefällen, etwa wenn ein Ausländer im Ausland erkrankt und länger als geplant dort bleiben muß. Eine „Heilungsmöglichkeit“ ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Es gibt keinen rationalen Grund für eine solche Regelung, insbesondere nicht bei langjährig hier lebenden Ausländern. Diese Regelung widerspricht auch der (bevorstehenden) Ermöglichung der Freizügigkeit für Drittstaatsangehörige mit verfestigten Aufenthalt innerhalb der EU. Eine solche Vorschrift ist auch den meisten europäischen Ländern, insbesondere aber allen Einwanderungsländern fremd.
Vorschlag: Bei Ausländern mit Aufenthaltsverfestigung, ab der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (künftig: Niederlassungserlaubnis) ist diese Regelung ersatzlos zu streichen.
38. Bundeseinheitlichkeit verhindert humanitäre Lösungen
G Generelle Regelungen zur Erteilung von Duldungen (§ 54 AuslG) oder Aufenthaltsbefugnissen (§ 32 AuslG) aus humanitären Gründen stehen unter dem Vorbehalt der „Bundeseinheitlichkeit“, weshalb der BMI hierbei zustimmen müssen soll. Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung und gegen die hiermit manifestierte Tendenz zur Aufweichung des Föderalismus gilt folgendes:
Die Vergangenheit vor 1991 hat gezeigt, daß dringend notwendige humanitäre Lösungen für einzelne Flüchtlingsgruppen oftmals erst dann gefunden wurden, wenn zunächst in einzelnen Bundesländern hierzu Maßnahmen ergriffen worden sind (z. B. Christen aus der Türkei, Iraner, Yeziden).
§ 32 Satz 2 und § 54 Satz 2 AuslG sind daher zu streichen.
39. Rechtsunklarheiten bei Abschiebungshindernissen beseitigen
G Bei erheblichen konkreten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit von Einzelpersonen darf nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik und nach der EMRK nicht abgeschoben werden. Deshalb muß dies unzweideutig in das Gesetz aufgenommen werden. Die Formulierung in § 53 Absatz 6 Satz 1 AuslG, daß in diesen Fällen von einer Abschiebung „abgesehen werden kann“ führt bei der Rechtsanwendung nur zu Verwirrung. Es ist gesetzlich festzuschreiben, daß von solchen Abschiebungen abzusehen ist.
Sind von den eben beschriebenen Gefahren nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Gruppen von Menschen betroffen, so soll nach der derzeitigen Gesetzessystematik die Aussetzung der Abschiebung nur aufgrund einer bundeseinheitlichen Regelung (für länger als sechs Monate) ausgesetzt werden können (§ 53 Absatz 6 Satz 2 AuslG). Dies ist verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. § 53 Absatz 6 Satz 2 AuslG ist daher ersatzlos zu streichen.
40. Rassendiskriminierungskonvention und Gleichbehandlungsrichtlinien umsetzen
G Die UNO-Konvention zur Beseitigung jeglicher Form von Rassendiskriminierung harrt nach vielen Jahren ihrer Existenz noch immer der Umsetzung in deutsches Recht. Dies gilt insbesondere für die Sanktionierung von Diskriminierungsmaßnahmen. In einem Anti-Diskriminierungsgesetz oder auf anderem Wege ist sicherzustellen, daß die Bundesrepublik ihre völkerrechtliche Verpflichtung erfüllt.
Auch sind die EU-Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG kurzfristig umzusetzen.
41. UNO-Anti-Folter-Konvention vollständig umsetzen
G Zu dieser Konvention besteht ein Protokoll, wonach eine Individualbeschwerde zulässig ist, sofern der Signatarstaat dieses Protokoll ratifiziert hat. Die Bundesrepublik hat bisher die Unterzeichnung verweigert. Eine Ratifikation des Protokolls ist unverzüglich vorzunehmen, ansonsten setzt Deutschland sich dem Verdacht aus, es mit der Überwachung der Umsetzung dieses wichtigen Menschenrechts nicht ernst zu nehmen.
42. UNO-Kinderrechtskonvention voll inhaltlich umsetzen
G Die Anwendung der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes führt in Deutschland ein Schattendasein. Dies liegt vor allem an dem Vorbehalt, den die Bundesrepublik zu der Konvention erklärt hat. Dieser Vorbehalt wird von nicht wenigen für völkerrechtswidrig gehalten. Der Vorbehalt ist zurückzunehmen.
Darüberhinaus ist dafür zu sorgen, dass als Kind jede Person definiert wird, die noch nicht 18 Jahre alt ist. Das muß beispielsweise dazu führen, dass die „Handlungsfähigkeit“ in asylrechtlichen und ausländerrechtlichen Verfahren (§ 68 AuslG, § 12 AsylVfG) entsprechend der europäischen Praxis auf 18 Jahre anzuheben ist.
43. Erleichterung der Ausstellung von Reisedokumenten
V Ausländern, die zumutbar von den Heimatbehörden einen Nationalpass nicht erhalten können, wird in nahezu allen europäischen Ländern unbürokratisch Reisedokumente (Fremdenpässe) ausgestellt. In Deutschland ist dies jedoch an vielfach einengende Voraussetzungen geknüpft.
Es ist nicht einsehbar, warum bei Unzumutbarkeit der Erlangung des Reisedokuments die Inhaber von Aufenthaltsbewilligungen gar nicht und die Inhaber von
Aufenthaltserlaubnissen nur unter engen Voraussetzungen ein Reisedokument erhalten sollen.
Auch weigern sich Heimatstaaten in vielen Fällen (z. B. bei Kriegsdienstverweigerung), einen Paß auszustellen. Angesichts des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung ist nicht einsichtig, daß die Bundesrepublik diesen Ausländern für den Regelfall ansinnt, zur Ableistung des Wehrdienstes in ihr Heimatland zurückzukehren.
Vorschlag: § 15 DV AuslG ist zu reformieren.
44. Staatenlosigkeit Rechnung tragen
V Immer mehr Schutzsuchende, die staatenlos sind oder geworden sind, finden sich in der Situation, dass ihr Asylgesuch inhaltlich nicht überprüft wird, weil es keinen Staat (mehr) gibt, der sie verfolgen könne. Dies deshalb, weil die Staaten des vormalig gewöhnlichen Aufenthalts (z. B. Syrien) die Rückkehr für Staatenlose verweigern. Diese – in Anwendung der GFK angreifbare – Rechtsposition ist vieler Orts praktische Realität. Oftmals finden sich solche Personen ohne jeden Status langjährig geduldet wieder.
Vorschlag: In den Verwaltungsvorschriften ist klarzustellen, dass in einem solchen Fall realer Unmöglichkeit der Rückkehr bei gleichzeitiger Verweigerung der inhaltlichen Prüfung des Asylgesuchs kurzfristig nach Rechtskraft der Asylentscheidung und ohne weitere Voraussetzungen eine Aufenthaltsbefugnis und ein Reisedokument nach der Staatenlosenkonvention zu erteilen ist.
45. Rechtmäßigkeit des Aufenthalts während des Entscheidungsprozesses sichern
G Wünschenswert wäre es, gesetzlich vorzusehen, daß die aufschiebende Wirkung des Antrags- und Rechtsbehelfsverfahrens der Regelfall ist. Für Ausnahmefälle reicht das Institut der „Anordnung der sofortigen Vollziehung“.
Sollte dies allerdings nicht umsetzbar sein, so ist zumindest § 69 AuslG so zu formulieren, wie es in § 21 AuslG 1965 vorgesehen war. Die vieldeutigen und vielschichtigen Abstufungen im derzeit geltenden Recht (§ 69 AuslG) sind oftmals nicht durchschaubar und schaffen Rechtsunsicherheit. Derzeit genießt z. B. eine Person, die sich seit vielen Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält, aber den Antrag zur Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung nur um einen Tag nach deren Ablauf stellt, für die Zeitdauer der Entscheidung keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland. Dieselbe Person kann auch nicht einstweiligen Rechtsschutz über § 80 Absatz 5 VwGO erhalten.
Die in § 81 Abs. 4 AufenthG-E vorgesehene Unterscheidung zwischen „rechtzeitiger“ und „verspäteter“ Stellung des Verlängerungsantrages ist ebenfalls nicht sachgerecht. Nach der Rechtsprechung sind derartige Fristen als gesetzliche Antragsfristen einer „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ nicht zugänglich. Diese Regelung macht deshalb den Rechtsstatus während des Verlängerungsantrags-Verfahrens von Zufälligkeiten (z. B. Krankheit, geschlossene Behörde, überfüllter Warteraum etc.) abhängig.
46. Behördenentscheidungen dürfen erst Wirkung entfalten, wenn sie rechtskräftig oder vollziehbar sind
G § 72 Abs. 2 AuslG (§ 84 Abs. 2 AufenthG-E) versuchen eine Rechtslage zu schaffen, die mit der Verfassungstradition der Bundesrepublik Deutschland nicht in Einklang steht. Hiernach sollen negative Behördenentscheidungen, die in bestehende Rechte eingreifen (z. B. Ausweisung oder Befristung eines Aufenthaltstitels) schon vor Rechtskraft (also auch im Falle eines mit aufschiebender Wirkung ausgestatteten Widerspruchs oder einer Klage) nahezu vollständig ihre Rechtswirkung entfalten. Dies hat zur Konsequenz, dass alleine der Erlass einer negativen Entscheidung zu einem materiell rechtswidrigen Aufenthalt in Deutschland führt (vgl. § 44 Abs. 1 AuslG, § 51 Abs. 1 AufenthG-E); lediglich im Fall einer (der nicht seltenen) positiven Widerspruchs- oder Gerichtsentscheidungen soll die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts rückwirkend entfallen.
Dieser Versuch, Behördenentscheidungen ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit zu verabsolutieren und mit negativer Gestaltungswirkung auszustatten, entspricht obrigkeitsstaatlichem Denken und widerspricht dem nach leidvoller Erfahrung mit Behördenwillkür ins Grundgesetz aufgenommenen Artikel 19 Abs. 4.
Konsequenz: § 78 Abs. 2 AuslG (§ 84 Abs. 2 AufenthG-E) ist ersatzlos zu streichen.
47. Unklarheiten bei der Befristung der Wirkung von Ausweisung und Abschiebung beseitigen
G Die Befristung der Ausweisung ist der gesetzliche Regelfall. Nach § 8 Absatz 2 Satz 4 AuslG beginnt diese Frist mit der Ausreise. Nicht selten können Ausgewiesene jedoch nicht abgeschoben werden, weil Abschiebungshindernisse vorliegen. Für diese Personen soll dann keine Befristung der Ausweisung möglich sein. Das ist widersinnig, weil solchen Personen dann auch nach langjährigem weiterem (geduldetem) Aufenthalt in Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf, solange die Ausweisung noch besteht.
In § 8 Absatz 2 Satz 4 AuslG ist deshalb klarzustellen, daß die Frist nur im Falle der freiwilligen Ausreise oder der Abschiebung mit dem Verlassen des Bundesgebietes beginnt. Im Falle des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses muß die Frist mit der Antragstellung beginnen.
Weiterhin bestehen Probleme bei Ausgewiesenen und/oder Abgeschobenen, die nunmehr einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltsrechts hätten (z. B. Deutsch-Verheiratete), der nur wegen der existierenden Ausweisungsverfügung/ vorgekommenen Abschiebung nicht in Anspruch genommen werden kann.
Für diese Fälle ist gesetzlich eine sehr kurze Frist festzulegen. Vorgeschlagen wird als Ende der Frist der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch entstanden ist, maximal jedoch sechs Monate. Auch in diesen Fällen soll die Frist mit der Antragstellung zu laufen beginnen, damit Ausländerbehörden nicht durch Verzögerung der Entscheidung die Erfüllung von Rechtsansprüchen behindern können.
48. Aufenthaltsverfestigung bei humanitären Situationen harmonisieren
G Nach achtjährigem Aufenthalt mit Aufenthaltsbefugnis kann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. In die Acht-Jahres-Frist ist die Zeit des (letzten) vorausgegangenen Asylverfahrens einzurechnen. Zeiten der Duldung werden nur
nach einem bestimmten Schlüssel angerechnet und Zeiten eines weiteren Asylverfahrens überhaupt nicht. Das ist sachlich nicht nachvollziehbar, denn auch die vorausgegangene Asylantragstellung oder die Geltendmachung von Abschiebungshindernissen sind Ausdruck eines Schutzersuchens, dem letztlich entsprochen wurde.
In § 35 Absatz 1 AuslG ist klarzustellen, dass alle Zeiten von Asylverfahren und von Duldungen auf die Acht-Jahres-Frist angerechnet werden.
49. Subsidiarität des humanitären Aufenthaltsrechts klarstellen
G Es ist gesetzlich klarzustellen, daß die Aufenthaltsbefugnis subsidiär nur zur Aufenthaltserlaubnis ist. Zu diesem Zweck ist § 30 Absatz 2 Nr. 1 AuslG zu ändern.
Aufgrund der derzeitigen missverständlichen Formulierung wird Personen, die Anspruch auf Aufenthaltsbefugnis haben oder eine solche im Ermessenswege erhalten könnten, oftmals angesonnen, sich zunächst eine Aufenthaltsbewilligung erteilen oder verlängern zu lassen. Angesichts der Verfestigungsregelungen in § 35 AuslG ist dies häufig nachteilig.
50. Humanitäres Aufenthaltsrecht nicht an unerfüllbare Voraussetzungen knüpfen
G Voraussetzung für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen (§ 30 Absätze 3, 4 AuslG) ist nach dem misslungenen Gesetzeswortlaut die „Unanfechtbarkeit“ einer Ausreisepflicht. Dies ist ein Redaktionsversehen. Eigentlich sollte von „vollziehbarer Ausreisepflicht“ gesprochen werden. Unanfechtbarkeit wird von der Rechtsprechung definiert als Ausreisepflicht aufgrund eines Verwaltungsakts. Beantragt nun ein Ausländer, dem Duldungsgründe zur Seite stehen (§§ 53, 55 AuslG) die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis so kann ihm diese gerade deshalb nicht erteilt werden, weil er ohne Rechtskraft eines Verwaltungsakts nicht unanfechtbar ausreisepflichtig ist. Er muß also zunächst einen negativen Bescheid gegen sich rechtskräftig werden lassen (mit allen Rechtsschutzproblemen, die hieraus resultieren), um dann erneut die Aufenthaltsbefugnis zu beantragen. Erst dann kann sie ihm erteilt werden. Ein absurdes Ergebnis.
Vorschlag: In § 30 Absätze 3 und 4 AuslG ist das Wort „unanfechtbar“ durch das Wort „vollziehbar“ zu ersetzen.
51. Härtefallkommissionen als Pflichtaufgabe in das Gesetz aufnehmen
G Die Arbeit von Härtefallkommissionen hat gezeigt, daß es nicht selten Situationen gibt, in denen der Buchstabe des Gesetzes humanitären Problemen nicht Rechnung tragen konnte. Härtefallkommissionen haben unter Beachtung des geltenden Rechts gute und tragbare Ergebnisse hervorgebracht.
In das Gesetz ist daher die Verpflichtung der Länder aufzunehmen, Härtefallkommissionen einzurichten. Hierbei ist sicherzustellen, dass relevante gesellschaftliche Gruppen in der Härtefallkommission vertreten sind, und ihre Vertreter nach eigener freier Entscheidung entsenden.
In der Vorschrift soll klargestellt werden, dass die Härtefallkommission für jeden Ausländer zuständig sein kann, egal wie er einreiste oder was sein derzeitiger Status ist.
52. Die vorgesehene Abschaffung der Duldung schafft nur neue Probleme
G Personen, deren Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist, müssen sich ausweisen können und das Bestehen der Abschiebungshindernisse nachweisen können. Die in § 60 Abs. 11 S. 5 AufenthG-E an versteckter Stelle erst im Gesetzgebungsverfahren hineingekommene „Bescheinigung“ über das Bestehen eines Abschiebungshindernisses ist wenig geglückt.
Auch in einem neuen Gesetz ist ein der Duldung vergleichbarer „Titel“ verbunden mit einem Legitimationspapier (Ausweisersatz) vorzusehen. Gleichzeitig ist klarzustellen, dass ein solcher „Titel“ nur für eine vorübergehende Zeit (z. B. nicht länger als drei Monate) erteilt werden darf. Bestehen Abschiebungshindernisse danach fort, so ist ein humanitärer Aufenthaltstitel zu erteilen.
53. Arbeitsmöglichkeiten für Geduldete erhalten
V Soweit zu erfahren war, sollte Personen, die lediglich eine Bescheinigung nach § 60 Abs. 11 Satz 5 AufenthG-E erhalten, jedwede Arbeitsmöglichkeit abgeschnitten sein. Das ist nicht hilfreich und verursacht eine unnötige staatliche Kostenbelastung.
Vorschlag: Die in der derzeit gültigen Arbeitsgenehmigungsverordnung bestehende Möglichkeit der Erteilung von Arbeitserlaubnissen an Geduldete sollte beibehalten werden.
54. Aufenthaltsrecht für ehemalige Deutsche von Amts wegen erteilen
G § 38 Abs. 1 S. 2 AufenthG-E sieht vor, dass ehemaligen Deutschen, die in Deutschland leben, ein Aufenthaltsrecht zu gewähren ist. Das ist vernünftig und sollte beibehalten werden. Nicht vernünftig jedoch ist, dies von einem Antrag abhängig zu machen, der innerhalb von sechs Monaten zu stellen ist. Hierdurch werden unnötig Probleme vorprogrammiert. Die Behörden wissen in den hier geregelten Fällen am besten, wann ein Deutscher die deutsche Staatsangehörigkeit verliert. Sie sollten dann auch von Amts wegen das Aufenthaltsrecht erteilen.
55. Ausreisezentren sind abzulehnen
G Der von der Gesellschaft für deutsche Sprache zu Recht zum „Unwort des Jahres“ erhobene Begriff des „Ausreisezentrums“ sollte schnellstens wieder aus der gesellschaftlichen Diskussion verschwinden. Die im AufenthG-E geplanten „Ausreiseeinrichtungen“ sollen nicht eingeführt werden. Jeder der sich mit der Geschichte von vergleichbaren Einrichtungen in den 20iger Jahren des 20. Jahrhunderts beschäftigt, schaudert bei der Vorstellung, dass so etwas im 21. Jahrhundert wieder entstehen könnte.
56. Übergangsvorschrift für Spätaussiedler schaffen
G Im ZuwanderungsG-E sind eine Reihe von Änderungen des BVFG vorgesehen, die den Zuzug weiter erschweren.
Nach der jetzigen Entwurfsfassung sollen diese Vorschriften auch auf bereits laufende Verfahren Anwendung finden, was zwangsläufig zu gravierenden Enttäuschungen des Vertrauens einer Vielzahl von Spätaussiedlern führen muß.
Vorschlag: Im BVFG (z. B. in § 100) ist eine Übergangsvorschrift aufzunehmen, nach der vor Inkrafttreten des ZuwanderungsG bereits laufende Verfahren nach altem Recht zu Ende zu führen sind.
57. Diskriminierung von Deutschen gegenüber EU-Staatsangehörigen beseitigen
G Aufgrund der umfangreichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Diskriminierungsverbot freizügigkeitsberechtigter EU-Staatsangehöriger und ihrer Familienangehörigen hat sich folgende Situation ergeben: Personen, die die Freizügigkeit innerhalb der EU in Anspruch genommen haben und deren Familienangehörige haben gelegentlich mehr Rechte, als deutsche Staatsangehörige.
Nur ein Beispiel: Gegenüber dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen sollen im Falle der Trennung aufenthaltsbeendende Maßnahmen schon nach Trennung und nicht erst ab Rechtskraft der Scheidung ergriffen werden können. Vergleichbares ist gegenüber dem drittstaatsangehörigen Ehegatten eines freizügigkeitsberechtigten EU-Staatsangehörigen unzulässig (vgl. die Entscheidung des EuGH im Fall Diatta, NJW 1985, S. 2087).
Diese „umgekehrte Diskriminierung“ ist der deutschen Bevölkerung nicht länger vermittelbar.
Vorschlag: Der frühere Vorschlag der EU-Kommission, Inländern dieselben Rechte zu geben, wie freizügigkeitsberechtigten EU-Staatsangehörigen sollte in das deutsche Ausländerrecht übernommen werden.
58. Rechtsstellung von türkischen Arbeitnehmern in das AufenthG/EWG (FreizüG/EU) übernehmen
G Der Entwurf des Aufenthaltsgesetzes erkennt in § 4 Abs. 1, 5, dass es eine Vielzahl von türkischen Staatsangehörigen gibt, denen ein Aufenthaltsrecht aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei zusteht. Dies ist ein Fortschritt.
Nicht nachvollziehbar allerdings ist, wieso der Rechtsstatus dieses Personenkreises nicht auch in dem spezielleren Gesetz geregelt wird, nämlich dem AufenthG/EWG (derzeit) bzw. dem FreizüG/EU (zukünftig).
59. Rechtsprechung des EuGH zur Dienstleistungserbringung umsetzen
G Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat in einer Reihe von Fällen (z. B. der Fall van der Elst, Urteil vom 09.08.1994, RS C-43/93) festgestellt, dass zum Recht einer in der EU beheimateten Firma, Dienstleistungen über Grenzen hinweg zu erbringen, auch gehört, dass diese Firmen ihr Personal über die Staatsgrenzen der
EU-Staaten hinweg zur Dienstleistungserbringung „entsenden“ können. Dies ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Mitarbeiter.
Es ist höchste Zeit, dass die Bundesrepublik diese Freizügigkeitsregelungen – deklaratorisch – in das AufenthG/EWG (zukünftig: FreizüG/EU) aufnimmt.
60. Diskriminierung der Ehegatten freizügigkeitsberechtigter EU-Staatsangehöriger beenden
G Von Familienangehörigen freizügigkeitsberechtigter EU-Staatsangehöriger, die selbst nicht EU-Staatsangehörige sind, wird verlangt, dass sie ein Visum einholen, um ihren Anspruch auf Zusammenleben mit dem Freizügigkeitsberechtigten in Deutschland zu verwirklichen. Regelmäßig mutet man solchen Familienangehörigen, die ohne Visum eingereist sind, zu, die Bundesrepublik erneut zu verlassen, um sich den Anspruch auf Familienzusammenführung durch Erteilung eines Visums im Ausland bestätigen zu lassen. Dies ist oftmals mit völlig unangemessenen Kosten und Wartezeiten verbunden. Eine Rechtfertigung hierfür (außer der „Verneigung vor dem Hute Geßler’s“) ist nicht zu erkennen.
Der EuGH hat im Fall MRAX ./. Belgien (NJW 2003, S. 195) entschieden, dass eine solche starre Regelung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
Lösungsvorschlag: Die Visumspflicht für Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten EU-Staatsangehörige ist aufzuheben. Dies sollte im AufenthG/EWG (zukünftig FreizüG/EU) geschehen.
61. Europarechtswidrige Ausweisungspraxis beenden
G Freizügigkeitsberechtigte Staatsangehörige aus den Ländern der EU und des EWR werden, das hat die Kommission der EU festgestellt, in Deutschland viel zu leicht ausgewiesen. Gerichtliche Überprüfungen, die oftmals erst Jahre nach der Ausweisungsverfügung stattfinden, werden ohne Not nur eingeschränkt durchgeführt. Es wird nämlich nur überprüft, ob die Ausweisung im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig war. Veränderungen bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidungen werden nicht beachtet. Dies ist insbesondere in Fällen von Straftaten als Anlaß für die Ausweisung nicht angemessen. Hiermit wird der Resozialisierungsgedanke nicht beachtet. Zudem wird missachtet, dass europarechtlich Ausweisungen nur dann zulässig sind, wenn durch die Anwesenheit des EU-(oder EWR-)Ausländers ein „Grundinteresse der Gesellschaft“ tangiert wird, so die ständige Rechtsprechung des EuGH.
Vorschlag: Maßgeblicher Zeitpunkt gerichtlicher Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung muß derjenige der gerichtlichen Entscheidung sein.
STAATSANGEHÖRIGKEITSRECHT
62. Optionsmodell für hier Geborene streichen
G Nach § 29 StAG müssen sich Kinder ausländischer Eltern, die durch Geburt Deutsche wurden, zwischen Erreichen der Volljährigkeit und dem 23. Lebensjahr durch Aufgabe einer zweiten Staatsangehörigkeit für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden, ansonsten geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren.
Das ist keine sinnvolle Regelung, sie sollte abgeschafft werden. Es bestehen auch Bedenken, ob diese Vorschrift in Übereinstimmung steht mit dem von der Bundesrepublik am 04. Februar 2003 unterzeichneten Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit.
Kinder deutscher Eltern, die bei Geburt eine weitere Staatsangehörigkeit erwerben, werden nicht vor die beschriebene Verlustalternative gestellt. Da der Geburtserwerb durch Kinder ausländischer Eltern hinsichtlich der Aufenthaltsdauer der ausländischen Eltern schon hohe Anforderungen stellt, ist kein Grund ersichtlich, warum die hier beschriebene Personengruppe anders behandelt werden sollte, als Kinder deutscher Eltern.
In jedem Fall aber sollte die Verlustalternative nicht für diejenigen Kinder gelten, deren Eltern während die Kinder noch minderjährig waren, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben.
63. Schnellere Einbürgerung von Flüchtlingen
G Für anerkannte Flüchtlinge (Asylberechtigte und Konventionsflüchtlinge) sollte ein Einbürgerungsanspruch nach fünf Jahren Aufenthalt in das Staatsangehörigkeitsgesetz aufgenommen werden.
V Es entspricht dem Geist von Art. 34 GFK, dass Flüchtlinge erleichtert und beschleunigt eingebürgert werden können. Die derzeitige Praxis belegt, dass Einbürgerungen oftmals mit viel zu großer Zeitverzögerung (Bearbeitungsfristen) vorgenommen werden. In die Verwaltungsvorschriften sollte ein Zeitlimit für die Bearbeitung (maximal sechs Monate) aufgenommen werden.
64. Geburtserwerb nicht an zweckwidrige Voraussetzungen knüpfen
G In § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAG wird vorgeschrieben, dass der Geburtserwerb bei Kindern ausländischer Eltern nur dann erfolgt, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt.
Das ist insbesondere bei jungen ausländischen Eltern, die häufig in der Realität vorkommen, nicht hilfreich, da diese die unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 26 AuslG oftmals frühestens erst mit dem 16. Lebensjahr oder gar erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres erhalten.
Vorschlag: In § 4 Abs. 3 StAG sollte alleine ein achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt im Inland ausreichen.
65. Anrechenbare Aufenthaltszeiten klären
V Für Ausländer, denen nach dem Besitz einer Aufenthaltsbefugnis die unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, ergeben sich Probleme bei den anrechenbaren Aufenthaltszeiten bei Anspruchseinbürgerungen. Dies betrifft zumeist (ehemalige) Flüchtlinge, deren Schutzersuchen auf andere Weise als durch Flüchtlingsanerkennung Rechnung getragen wurde (z. B. Altfallregelung, Traumatisiertenregelung etc.). Für diesen Personenkreis verfügt Ziff. 85.1.1 f) AuslG-VwV, dass nach Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis die dort angerechneten Zeiten der Aufenthaltsgestattung nach dem AsylVfG als „rechtmäßiger Aufenthalt“ auch für das Einbürgerungsverfahren zählen. Diese Verheißung ist jedoch in der Realität nichts wert, aus folgendem Grund: Der hier beschriebene Personenkreis hatte in der Regel (in ca. 80 von 100 Fällen) nach durchlaufendem Asylverfahren zunächst eine Duldung erhalten, und erst danach eine Aufenthaltsbefugnis. Nach der Interpretation in einer Reihe von Bundesländern bewirkt eine Duldungserteilung eine Unterbrechung der „Rechtmäßigkeit des Aufenthalts“, mit der Folge, dass die anrechenbaren Aufenthaltszeiten erst nach der Unterbrechung (also ab Erteilung der Aufenthaltsbefugnis) zu laufen beginnen. Die „Verheißung der Anrechenbarkeit“ ist demzufolge nichts wert.
Vorschlag: In Ziff. 85.1.1. (am Ende) AuslG-VwV ist klarzustellen, dass in den genannten Fällen eine angenommene Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts unerheblich ist.
66. Die Zusicherung der Einbürgerung muß zur Vermeidung von Staatenlosigkeit ohne Vorbehalte verbindlich sein
G Bei denjenigen Ausländern, die in den deutschen Staatsverband erst nach Entlassung aus der Heimatstaatsangehörigkeit eingebürgert werden, das sind die meisten Einbürgerungsbewerber, behilft sich die Verwaltungspraxis damit, eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen. Hiermit können die meisten Personen dann die Entlassung aus der Heimatstaatsangehörigkeit bewirken. Die Einbürgerungszusicherungen stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich die Sachlage nicht nachträglich zu Ungunsten des Einbürgerungsbewerbers verändert.
Tritt nun zwischen Erteilung der Einbürgerungszusicherung und nach Entlassung aus der Heimatstaatsangehörigkeit ein Umstand auf, der nach geltendem Recht die Einbürgerung hinderte (z. B. Verlust der Unterhaltsfähigkeit), finden sich nicht wenige Einbürgerungsbewerber im Zustand der Staatenlosigkeit wieder. Sie wurden bereits aus der Heimatstaatsangehörigkeit entlassen, in den deutschen Staatsverband werden sie aber wegen Hinderungsgründen nicht eingebürgert.
Vorschlag: In den Fällen, in denen ein Einbürgerungsbewerber sich in gutem Glauben aus der Heimatstaatsangehörigkeit hat entlassen lassen, muß die Einbürgerung erfolgen, auch wenn zwischenzeitlich Hinderungsgründe aufgetreten sind. Rechtstechnisch kann dies dadurch bewirkt werden, dass der Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung zum „maßgeblichen Zeitpunkt“ für das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen erklärt wird.
Wir hoffen sehr, daß Sie möglichst viele unserer Forderungen berücksichtigen werden. Die vielen Millionen Ausländer in der Bundesrepublik würden es Ihnen danken.
Mit freundlichen Grüßen
für den Sprecherrat
der Rechtsberaterkonferenz
gez. Rainer M. Hofmann
Rechtsanwalt