2010: 55 Forderungen

55 Forderungen zum Flüchtlings-, Ausländer-, Staatsangehörigkeits- und Sozialrecht

Juli 2010

I . F L Ü C H T L I N G S R E C H T

1. „Flughafenverfahren“ ersatzlos streichen
Die Sondersituation am Flughafen und das vorgeschriebene Schnellverfahren
birgt das realistische Risiko, den „echten politischen Flüchtling“ und besonders
schutzbedürftige Personen wie Folteropfer, Minderjährige und chronisch Kranke,
von vornherein schutzlos zu stellen. Die Unterbringung von Flüchtlingen in
haftähnlicher Weise garantiert kein faires Asylverfahren. Die kurzen Rechtsmittelfristen
verhindern zudem eine effektive Rechtswahrnehmung. Das Flughafenverfahren
ist daher abzuschaffen.


2. Die Rechtsmittelfristen und -voraussetzungen im Asylverfahren
harmonisieren

Einzig im Asylverfahren gibt es Klage- und Antragsfristen von einer Woche.
Dieses Sonderrecht gegen Flüchtlinge ist zu ändern und mit den üblichen Fristen
der Verwaltungsgerichtsordnung zu harmonisieren. Insbesondere im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren ist es dem sprach- und rechtsunkundigen
Flüchtling oft nicht möglich, innerhalb der Wochenfrist qualifizierte Beratung zu
finden.
Auch die Rechtsmittelmöglichkeiten sind im Asylverfahren eingeschränkt. So
ist der in der VwGO genannte Berufungszulassungsgrund „ernstlicher Zweifel“
im Asylverfahren nicht vorgesehen. Auch hier muss eine Angleichung geschaffen
werden, um im Sinne eines verbesserten Flüchtlingsschutzes ein
ausreichendes Korrektiv zu erhalten.

Dass ein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches
Urteil ohne Begründung abgelehnt werden kann und darf (§ 78 Abs. 5 S.
1AsylVfG), entspricht nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
§ 78 Abs. 5 S.1 2. Halbs. AsylVfG ist daher zu streichen.


3. Schutz für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verbessern
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind besonders schutzwürdig. Die EUAufnahmerichtlinie
betont daher, dass das Kindeswohl im Asylverfahren Minderjähriger
ein maßgebliches Kriterium ist. Diese Schutzbedürftigkeit endet
nicht mit 16 Jahren. Minderjährige Flüchtlinge dürfen daher weder in Gemeinschaftsunterkünften
noch auf dem Flughafengelände untergebracht werden,
sondern sind zwingend umgehend in Jugendhilfemaßnahmen aufzunehmen.
Abschiebehaft ist in diesen Fällen auszuschließen. Ein Clearingverfahren ist
vorzuschalten. Im Clearingverfahren ist im Bedarfsfall zwingend eine psychologische
Betreuung bereitzustellen (Art. 18 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie). Die Altersschätzung
und fiktive Altersfestsetzung ist unzulässig; vielmehr ist von einem
bona-fide-Grundsatz auszugehen und nur bei ernstzunehmendem Zweifel
eine ärztliche/psychologische Altersprüfung nach wissenschaftlichen
Grundsätzen vorzunehmen. Den Kindern ist ein Ergänzungspfleger zur Wahrnehmung
ihrer Aufenthaltsrechte beizuordnen, da Jugendämter und Einzelvormünder
mangels Rechtskenntnis des Asylverfahrens oft überfordert sind.
§ 12 Abs. 1 AsylVfG ist ersatzlos zu streichen.
Es ist gesetzlich zu regeln, dass das Kindeswohl entsprechend Art. 3 KRK
während des Asylverfahrens vorrangig zu beachten ist.


4. Gemeinschaftsunterkünfte als Regelunterbringung abschaffen
Das gesetzgeberische Ziel, Flüchtlinge während des Asylverfahrens ständig
erreichen zu können, wird durch den Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung
hinreichend gewährleistet. Im Anschluss daran ist es den Flüchtlingen
freizustellen, eigenständig Wohnraum anzumieten. In der Regel ist die Unter3
bringung in den von den Flüchtlingen selbst gesuchten Unterkünften (Wohnungsmarkt,
Verwandte) preisgünstiger und fördert zudem die Selbständigkeit
und frühzeitige Integration.
§ 53 AsylVfG ist daher zu streichen.


5. Verfahren für Folteropfer und Opfer sexueller Gewalt fair gestalten
Der besonderen Situation dieser Gruppen muss – noch mehr als bisher –
Rechnung getragen werden. Hierbei wird nicht übersehen, dass das Bundesamt
in den letzten Jahren beachtliche Anstrengungen unternommen hat. Bundesamt
und Gerichte dürfen sich nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen verschließen,
dass Personen aus diesen Gruppen sich oftmals erst sehr spät anvertrauen.
Jedenfalls für diese Personengruppen ist klarzustellen, dass auch
erst im weiteren Verlauf des Asylverfahrens (z. B. Gerichtsverfahren) vorgebrachte
Tatsachen nicht als „gesteigertes Vorbringen“ abgewertet werden dürfen.
Die Resolution Nr. 73-1993 des UNHCR-Exekutivkomitees ist umzusetzen.
In Fällen dieser Personengruppen müssen Behörden und Gerichte verpflichtet
werden, Stellungnahmen unabhängiger Gutachter zur Traumatisierung einzuholen.
Vorstehendes ist gesetzlich zu regeln, da Verwaltungsvorschriften (die es im
Asylrecht derzeit nicht gibt) Gerichte nicht binden würden. Gleichfalls ist gesetzlich
vorzusehen, dass schon bei Geltendmachung von Traumatisierung
oder geschlechtsspezifischer Verfolgung sowie bei minderjährigen Asylsuchenden
sofort verpflichtend ein „Sonderbeauftragter“ für die genannten Personengruppen
beim Bundesamt einzusetzen ist. Eine gesetzliche Regelung ist
notwendig, da die bisherigen Versuche des BAMF mit den „Sonderbeauftragten“
sich in der Alltagspraxis nicht durchgesetzt haben.

6. Herkunftsländer-Leitsätze (HKL) nachprüfbar gestalten
Die Leitsätze sind unter Beteiligung von Personen und Institutionen zu erstellen,
die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind (Menschenrechtsorganisationen,
Flüchtlingshilfsorganisationen etc.) und der (Fach-)Öffentlichkeit ohne Einschränkungen
zugänglich zu machen. Dies gilt auch für die Dienstanweisungen
des Bundesamts. Nur dies ist Ausdruck eines fairen und transparenten
Asylverfahrens.


7. Berichterstattung des Auswärtigen Amtes fair und überprüfbar gestalten
Lageberichte und Einzelauskünfte des AA werden fast immer in Asylverfahren
herangezogen. Die Offenlegung der Informationsquellen wird durch die Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts verhindert . Die Praxis zeigt, dass
solche Verlautbarungen oftmals von außenpolitischen Rücksichtnahmen geprägt
sind und nicht selten unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten.
Im Auswärtigen Amt sollte ein Gremium zur Bearbeitung/ Überwachung der
Auskunftspraxis des Auswärtigen Amtes berufen werden, in dem Menschenrechtsvereinigungen
maßgeblich mitwirken. Es muss die Möglichkeit geschaffen
werden, durch Befragungen der Verfasser der Auskünfte Hintergründe und
Quellen zu erhalten. Eine pauschale Berufung auf Vertraulichkeit ist dabei
nicht hinzunehmen.


8. Sachaufklärungspflicht des Bundesamtes konkretisieren und verbessern
Gegen die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung wird beim Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge leider noch immer verstoßen. Gesetzgeberische
Maßnahmen bleiben daher angezeigt:

Trotz der Regelung in § 24 Abs. 1 AsylVfG, wonach das Bundesamt zur Aufklärung
des Sachverhaltes und zur Erhebung der erforderlichen Beweise verpflichtet
ist, ist dies bisher noch nicht gängige Praxis. Insbesondere werden
Zweifel und Widersprüchlichkeiten oft nicht durch Nachfrage vom Einzelentscheider
aufgeklärt und der Flüchtling wird erst in seinem Bescheid damit konfrontiert.
Es ist daher in einer Regelung des AsylVfG klarzustellen, dass es Pflicht des
Bundesamtes ist, bei Zweifeln durch Nachfrage Klarheit zu schaffen, dem
Flüchtling angebliche Widersprüche vorzuhalten, nach Beweismitteln zu fragen
und Beweise zu erheben.
Die Verwaltungspraxis muss dahin gehend umgestellt werden, dass Widersprüche,
die nicht vorgehalten wurden, im Bescheid auch nicht zu Lasten des
Asylsuchenden verwendet werden dürfen.
Nach der Anhörung beim BAMF und vor Erlass eines negativen Bescheides
ist ein Verfahren gem. § 28 VwVfG durchzuführen.
Die Personenidentität von anhörendem und entscheidendem Sachbearbeiter
ist in jedem Fall sicherzustellen.


9. Auf „Sprachanalysen“ verzichten
Zur Feststellung des Herkunftsstaates eines Flüchtlings wird beim Bundesamt
häufig auf „Sprachanalysen“ anonymer Gutachter zurückgegriffen und hierauf
fußend oftmals Unglaubhaftigkeit der Angaben des Flüchtlings angenommen.
Die sachkundigen Wissenschaftler sind sich jedoch weitgehend darüber einig,
dass Sprachanalysen nur in seltensten Fällen geeignet sind, eine verlässliche
Grundlage für Entscheidungen zum Herkunftsstaat von Flüchtlingen zu bilden.
Dies gilt gerade für afrikanische Staaten, in denen zahlreiche Sprachen und
Dialekt in mehreren Staaten gesprochen werden und nationale Grenzen insoweit
unbeachtlich werden lassen. § 16 Abs.1 Satz 3 – 5 AsylVfG ist zu streichen.

10. Kompetenzen der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration erweitern
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
sollte eine originäre Zuständigkeit auch für Asylsuchende und Flüchtlinge erhalten.
Der Aufgabenkatalog in § 93 AufenthG ist entsprechend um eine ausdrückliche
Kompetenzzuweisung für flüchtlingsrechtliche Fragen zu ergänzen.


11. Sachkundige Vertretung von Flüchtlingen materiell und personell sicherstellen

Da in Asylverfahren oftmals über Leben und Tod entschieden wird, sind korrekt
und verantwortungsbewusst geführte Asylverfahren sehr zeitaufwendig.
Die Anwaltsgebühren aufgrund der gesetzlichen Gebührenfestschreibung sind
nicht kostendeckend. Dies führt dazu, dass sachkundige Anwälte zu diesen
Gebühren oftmals nicht vertreten können, mit dem Ergebnis, dass Flüchtlingen
sachgerechter anwaltlicher Beistand vorenthalten wird. In allen Verfahrensarten
ist deswegen der Gegenstands-/Streitwert der Regelung anzupassen, die
im Verwaltungsrecht allgemein gilt (Regelstreitwert: 5.000 Euro).
Wegen der besonderen Bedeutung eines Verfahrens auf Flüchtlingsanerkennung,
wegen der kurzen Fristen im Verfahren und wegen der fast immer bestehenden
Überforderung von Flüchtlingen ist durch das Gesetz festzulegen,
dass jeder Asylsuchende, der einen Anwalt nicht bezahlen kann, Anspruch auf
kostenfreie Beiordnung eines Rechtsanwaltes im vorgerichtlichen (und zwar
auch schon vor der Anhörung) und im gerichtlichen Verfahren hat. Die Vorschriften
und die Gebührensätze des Beratungshilfegesetzes bei außergerichtlicher
Tätigkeit sowie die Gebühren nach den Grundsätzen der Prozesskostenhilfe
im gerichtlichen Verfahren sind hierfür in keinem Fall ausreichend.

12. Fluchtgründe sind unteilbar
§ 28 Abs. 2 AsylVfG sieht vor, dass subjektive Nachfluchtgründe in der Regel
in einem Asylfolgeverfahren nicht berücksichtigt werden sollen. Dies verstößt
nach Ansicht des UNHCR und nach unserer Ansicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.
Die GFK unterscheidet nicht zwischen Vor- und Nachfluchtgründen,
sondern geht davon aus, dass Personen, deren Leben oder Freiheit
aus einem in der Konvention genannten Gründe gefährdet ist, geschützt werden
müssen.
§ 28 Abs. 2 AsylVfG ist ersatzlos zu streichen.


13. Verletzung von Mitwirkungspflichten darf nicht zum Ausschluss vom Asylerstverfahren führen
Gem. § 20 Abs.1, 2, in § 22 Abs. 3 und § 23 Abs. 2 AsylVfG soll ein Verstoß
gegen bestimmte Mitwirkungspflichten zum Ausschluss vom Asylerstverfahren
führen und der Flüchtling so behandelt werden, als habe er einen Folgeantrag
gestellt. Dies ist verbunden mit der Konsequenz, dass tatsächlich bestehende
Verfolgungsgründe außer Betracht bleiben.
Das stellt einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention dar. Die genannten
Vorschriften sind deswegen ersatzlos zu streichen.


14. § 34a Abs. 2 AsylVfG ist zu streichen
§ 34 a Abs. 2 AsylVfG sieht vor, dass gegen Entscheidungen, durch die die
Rückführung in einen sog. sicheren Drittstaat oder EU-Staat angeordnet wird,
vorläufiger Rechtsschutz nicht möglich ist. Dies widerspricht Art. 13 EMRK,
der bei drohender Verletzung der Rechte aus der EMRK einen effektiven
Rechtsschutz verlangt.

Am Beispiel der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Rückführungen
nach Griechenland ist offenbar geworden, dass hier eine gesetzlich
geregelte Rechtsschutzmöglichkeit geschaffen werden muss.
§ 34 a Abs. 2 AsylVfG ist daher zu streichen.

15. Subjektive Rechte auch im Dublin-Verfahren beachten
Die Dublin-II-VO beinhaltet in Art 3 Abs. 2, 14 und 15 Regelungen, die eine
abweichende Zuständigkeit eines EU-Staates z. B. bei Familienbezug zulassen.
Dies wird jedoch von der Praxis und Rechtsprechung nicht ausreichend
beachtet. Es ist daher gesetzlich klarzustellen, dass bei einem Aufenthalt von
Familienangehörigen, selbst wenn diese nicht über einen Flüchtlingsstatus
verfügen, Deutschland für das Asylverfahren zuständig ist. Dies gilt auch für
die Fälle, in denen die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens,
die Gewährung subsidiären Schutzes und die Einhaltung der Aufnahme- und
Asylverfahrensrichtlinie im anderen EU-Staat nicht gewährleistet ist.
Auch im Dublin-Verfahren ist eine Anhörung zwingend durchzuführen, um ggf.
subjektive Rechte der Flüchtlinge feststellen zu können. Das Bundesamt hat in
jedem Einzelfall zu prüfen, ob es von seinem Selbsteintrittsrecht gem. Art 3
Abs. 2 der VO Dublin II Gebrauch macht. Dies ist in einer entsprechenden
Dienstanweisung zu regeln.

16. Residenzpflicht abschaffen
Die räumliche Beschränkung des Aufenthaltes von Asylbegehrenden (§§ 56 ff.
AsylVfG) hat erhebliche diskriminierende Wirkung und führt dazu, dass das
Recht der Flüchtlinge auf Teilnahme an kulturellen, politischen und religiösen
Veranstaltungen unzulässig eingeschränkt und der Zugang zu einer erforderlichen
ärztlichen oder psychologischen Behandlung wesentlich erschwert wird.
Zudem kriminalisiert die Strafbewehrung eines Verstoßes gegen die Residenzvorschriften
Asylbewerber.
§§ 56, 57, 58, 59 85 Ziffer 2 und § 86 AsylVfG sind zu streichen.

17. Keine automatische Asylantragstellung bei Minderjährigen
§ 14 a Abs. 2 AsylVfG sieht vor, dass für hier geborene oder später eingereiste
Kinder eines abgelehnten Asylbewerbers ein Asylantrag automatisch – ohne
Rücksprache mit den Eltern – als gestellt gilt. Dies auch in Fällen, in denen
nur ein Elternteil über ein Aufenthaltsrecht verfügt oder die Eltern eine Aufenthaltserlaubnis
gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG haben.
Nicht selten werden die Asylanträge dieser Kinder als offensichtlich unbegründet
abgelehnt, so dass ggf. keine Möglichkeit eines Aufenthaltsrechts mehr
besteht (§ 10 Abs. 3 AufenthG). Zwar können Personensorgeberechtigte auf
die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind wirksam verzichten. Mangels
eigener Rechtskenntnis kann von dieser Möglichkeit jedoch nur selten
Gebrauch gemacht werden- Das Asylrecht unterliegt der Dispositionsmaxime.
Es muss deshalb den Eltern überlassen bleiben, ob ein Asylantrag gestellt
wird. Jedenfalls darf es den in § 14 a AsylVfG vorgesehenen Automatismus
nicht in Fällen geben, in denen ein Elternteil ein Aufenthaltsrecht, auch eine
Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG besitzt. § 14 a Abs. 2
AsylVfG ist daher zu streichen.

18. § 26 a AsylVfG (Familienasyl) auf subsidiär Schutzberechtigte
erweitern

§ 26 a AsylVfG ermöglicht eine einheitliche Schutzgewährung für die Familie.
Eine vergleichbare Regelung gibt es für subsidiär Schutzberechtigte nicht, obwohl
eine Rückkehr der Familienmitglieder aufgrund der damit verbundenen
dauerhaften Trennung immer unzumutbar ist. Art. 23 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie
schreibt in diesem Fall eine Angleichung der Rechte vor. § 26 a
AsylVfG ist daher auch auf Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten
anzuwenden.

19. Überprüfung von Asylentscheidungen ohne Automatismus
In § 73 Abs. 2 a AsylVfG ist festgeschrieben, dass spätestens nach Ablauf von
drei Jahren nach Unanfechtbarkeit einer positiven Asylentscheidung die Voraussetzungen
eines Widerrufs einer Rücknahme überprüft werden müssen.
Dieser Automatismus ist nicht sinnvoll, er schafft zudem unabsehbaren neuen
Personalbedarf bzw. werden Einzelentscheider mit ihrer Arbeitskraft gebunden,
während andere Verfahren, welche dringend entschieden werden müssten,
unerledigt bleiben und es damit zu unerträglich langen Verfahrensdauern
kommt. § 73 Abs. 2a ist deswegen zu streichen.

20. Für Folteropfer und Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung
Bleiberecht sichern

Gefolterte und misshandelte Flüchtlinge und Opfer geschlechtsspezifischer
Verfolgung dürfen nicht zur Rückkehr in den Heimatstaat gezwungen werden,
auch wenn dort zwischenzeitlich andere Verhältnisse herrschen Dies ist ein
Gebot der Menschlichkeit. Die Gefahr der Retraumatisierung bei zwangsweiser
Rückführung ist wissenschaftlich zweifelsfrei belegt.
Auch nach Wegfall der ursprünglichen Verfolgungsgefahr ist im Rahmen eines
Widerrufsverfahrens für diesen Personenkreis sowie für alle vorverfolgt Ausgereisten
ohne Ausnahme der abgesenkte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Prüfung
zugrunde zu legen.

II. A U S L Ä N D E R R E C H T

21. Bleiberecht ohne Stichtagsregelung einführen
Am 01.01.2010 lebten ca. 90.000 Ausländer schon länger als fünf Jahre ohne
gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland, ohne Möglichkeit zur Rückkehr
in ihr Herkunftsland, aber auch ohne Perspektive auf einen Daueraufenthalt.
Die bisherigen „Bleiberechtsregelungen“ von IMK oder Gesetzgeber (§ 104a/b
AufenthG) haben das Problem allenfalls halbherzig und nur für einen kleinen
Personenkreis dauerhaft gelöst. Insbesondere Kinder müssen eine verlässliche
Lebensperspektive erhalten. Bei einer Stichtagsregelung sind Ungleichbehandlungen
vorprogrammiert. Das Aufenthaltsgesetz geht allgemein davon
aus, dass nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland eine Integration in hiesige
Lebensverhältnisse stattgefunden hat. Ausländern, die sich seit mindestens
fünf Jahren hier aufhalten, ist daher aus humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht
zu gewähren.

22. Keine Sicherung des Lebensunterhaltes bei der Altfallregelung
für junge Volljährige (104 a Abs. 2 AufenthG), Erwerbsunfähige
und alte Menschen verlangen

Anders als bei Personen, die bereits bei der Einreise volljährig waren, wird bei
jungen volljährigen Flüchtlingen im Rahmen des § 104 a AufenthG in der Regel
die Sicherung des Lebensunterhaltes verlangt. Dies wird der besonderen
Situation dieser Personengruppe – insbesondere der als unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge Eingereisten – nicht gerecht. Sie besuchen teilweise noch
die Schule, sind in der Ausbildung oder konnten aufgrund ihres Aufenthaltsstatus
bisher keine berufliche Perspektive entwickeln. Ihnen muss es ermöglicht
werden, für einen großzügig bemessenen Übergangszeitraum ohne aufenthaltsrechtliche
Nachteile Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. In derartigen
Fällen ist von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr.1 AufenthG abzusehen.
Ebenfalls konnten von der bisherigen Bleiberechtsregelung alte Menschen
und Erwerbsunfähige (zu denen oftmals traumatisierte Flüchtlinge zählen)
nicht profitieren, da sie selbst ihren Lebensunterhalt in aller Regel nicht
sicherstellen konnten und die Übernahme der Kosten für Lebensunterhalt und
Krankenversicherung durch Dritte unrealistisch ist.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für alte Menschen und Erwerbsunfähige
mit langjährigem Aufenthalt darf nicht von der Sicherstellung des Lebensunterhaltes
abhängig gemacht werden, weder im Rahmen eines Verlän12
gerungstatbestandes der Bleiberechtsregelung, noch im Zusammenhang mit
humanitären Aufenthaltstiteln.

23. Bei absehbarem Daueraufenthalt selbständige Tätigkeit und
unselbständige Beschäftigung ermöglichen und auf Wohnsitzbeschränkung
verzichten

Bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs.3 oder 5 wird im Regelfall
eine selbständige Tätigkeit untersagt und eine unselbständige Beschäftigung
von einer Genehmigung durch die Ausländerbehörde abhängig gemacht.
Außerdem wird bei Bezug von Sozialleistungen die Wohnsitznahme beschränkt
auf den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde.
Hierdurch wird bei den betroffenen Ausländern die Möglichkeit der Sicherung
des Lebensunterhalts durch eigene Erwerbstätigkeit deutlich vermindert und
es bleibt bei der Abhängigkeit von Sozialleistungen. Da die Beschränkung der
Wohnsitznahme erst bei nachhaltiger Sicherung des Lebensunterhalts aufgehoben
wird, können viele Arbeitsmöglichkeiten nicht angenommen werden,
wenn der betroffene Ausländer in einem strukturschwachen Gebiet lebt. Zudem
werden potentielle Arbeitgeber durch die Genehmigungspflicht durch die
Ausländerbehörde abgeschreckt.
Es ist daher durch Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften und der
Beschäftigungsverfahrensverordnung sicherzustellen, dass mit Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 oder 5 AufenthG die Erwerbstätigkeit
gestattet wird und eine Wohnsitzbeschränkung unterbleibt.

24. Ausweisungsschutz für langjährig hier Lebende verbessern
Langjährige in Deutschland lebende Migranten sind „Inländer ausländischer
Staatsangehörigkeit“. Ihre Lebensperspektive liegt in Deutschland, nicht im
Herkunftsstaat. Diese Gegebenheiten beachtet das z.Zt gültige Ausweisungsrecht
des AufenthG nicht hinreichend.
Demgemäß dürfen Ausweisungsgründe allein spezialpräventiv ausgerichtet
sein wie dies der EUGH auch für Unionsbürger und analog für türkische
Staatsangehörige vorgeschrieben hat.
In Deutschland geborene ausländische Kinder und Jugendliche dürfen nicht
ausgewiesen werden.

25. Familienzusammenführung erleichtern
Die Regelungen zum Ehegatten- und Kindernachzug der Bundesrepublik
Deutschland bleiben hinter dem völkerrechtlichen Standard (Art. 8 EMRK) zurück.
Im Regelfall des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 d AufenthG ist eine Familienzusammenführung
erst nach zweijährigem Besitz des Aufenthaltstitels möglich.
Dies führt zu einer unzumutbaren Trennung der Ehepartner. Ehegatten
ist der Nachzug daher grundsätzlich ohne Wartezeit zu ermöglichen.
Auch zu Inhabern humanitärer Aufenthaltserlaubnisse ist der Familiennachzug
uneingeschränkt zu ermöglichen. § 29 Abs. 3 AufenthG ist ersatzlos zu streichen.
Das Spracherfordernis vor Einreise beim Ehegattennachzug ist diskriminierend
sowie integrations- und familienfeindlich. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 d
AufenthG ist daher ersatzlos zu streichen.
Bisher ist der Nachzug von Kindern ab 16 Jahren erschwert. Dies kann sogar
dazu führen, dass Geschwister getrennt werden. Ein dauerhaftes Auseinanderreißen
einer Familie steht jedoch nicht im Einklang mit Art. 8 EMRK.
Kinder müssen bis zum Erreichen des Volljährigkeitsalters ungehindert zu ihren
Eltern nachziehen können.
§ 32 Abs. 2 AufenthG ist daher zu streichen und Abs. 3 auf alle minderjährigen
Kinder auszudehnen.
Ausländische Sorgerechtsentscheidungen sind in Deutschland umzusetzen;
hieraus folgt, dass Kindernachzug zum Sorgerechtsinhaber zwingend
möglich sein muss. Gleiches gilt, wenn die ausländische Rechtsordnung kein
alleiniges Sorgerecht nach deutschen Maßstäben kennt.
Auch wenn der Sorgerechtsinhaber kein (leiblicher) Elternteil ist, ist Familiennachzug
zu ermöglichen, da es sich auch in diesem Fall um eine „Familie“ im
Sinne von Art. 8 EMRK handelt.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Familienzusammenführung setzt
grundsätzlich die Einreise mit dem erforderlichen Visum voraus. Dies führt
dazu, dass selbst in Anspruchsfällen die Erteilung vom Inland aus verweigert
und auf das Visumverfahren verwiesen wird. Angesichts der erheblichen Kosten
und der Dauer der Visumverfahren führt dies oftmals zu nicht hinnehmbaren
Härten. Ein Visumverstoß sollte daher als Ordnungsverstoß angesehen
werden und nicht zur Versagung des Aufenthaltstitels führen dürfen. § 5 Abs.
2 S. 2 AufenthG ist als zwingende Vorschrift zu gestalten.

26. Inländerdiskriminierung beenden
Nach derzeitiger Gesetzeslage muss der nachzugswillige Ehegatte (mit nichtprivilegierter
Staatsangehörigkeit) eines deutschen Staatsangehörigen, sofern
der Nachzug allein mit dem Ziel der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft
begehrt wird, über deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Damit mischt
sich der Staat bereits in unerträglicher Weise in höchst private Angelegenheiten
ein. Darüber hinaus ist jedoch zu monieren, dass das Spracherforderniss
nicht gilt, wenn der Zuzug nicht zu einem Deutschen, sondern beispielsweise
zu einem EU-Wanderarbeiter oder als Elternteil zu einem deutschen Kind erfolgen
soll.
Mithin ist offensichtlich, dass eine Vielzahl von Ausnahmen ohne weiteres von
dem Erfordernis rudimentärer Sprachkenntnisse absehen läßt. Damit relativiert
sich diese vermeintliche Notwendigkeit bereits in erheblichem Ausmaß. Vollends
unbegründbar bleibt, weshalb ausgerechnet bei Führung einer Lebensgemeinschaft
mit einem deutschen Staatsangehörigen, also in einer Konstella15
tion, welche per se dafür spricht, dass der ausländische Ehepartner die deutsche
Sprache beschleunigt erwirbt, diese Voraussetzung erfüllt werden muss.
In diesen Fällen stellt sich die Forderung nach dem entsprechenden Sprachnachweis
daher als bloße Schikane dar.
§ 28 Abs1. Satz 5 AufenthG ist daher entsprechend zu ändern.

27. Minderjährigenschutz ernst nehmen
Der Nachzug von Kindern ist an Altersgrenzen geknüpft. Das BVerwG läßt es
in seiner Rechtsprechung für die Antragstellung ausreichen, wenn der Visumantrag
am letzten Tag vor Erreichung der Altersgrenze erfolgt. Begründet wird
diese Praxis damit, dass die Bearbeitungszeit vom Antragsteller nicht beeinflusst
werden kann. Gleichzeitig verlangt das BVerwG jedoch, dass auch die
übrigen Voraussetzungen für einen Kindernachzug bereits bei Antragstellung
vorgelegen haben müssen (z. B. das erforderliche Einkommen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes). Unter diesen Voraussetzungen werden sowohl das
Kind, als auch seine Familie zusätzlich damit belastet, die Anspruchsvoraussetzungen
nicht erst zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung erfüllen
zu müssen – wie sonst üblich in Verpflichtungssituationen – sondern schon
Monate (oft Jahre) zuvor. Der behauptete Minderjährigenschutz besteht somit
nur dem Namen nach. Die Ratio der Regelung, auf die Sachlage zum Zeitpunkt
der letzten Entscheidung der Tatsacheninstanz abzustellen, besteht darin,
die Behörden nicht zu verpflichten, eine Regelung für die Zukunft zu treffen,
wenn (möglicherweise) deren Voraussetzungen nicht (mehr) bestehen.
Wenn aber zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen bestehen, ist nicht erkennbar,
weshalb deren Fehlen in der Vergangenheit noch von Belang sein
sollte. Gerade bei den hier nur in Betracht kommenden Umständen wie Wohnraum
und Sicherstellung des Lebensunterhaltes läßt sich deren Fehlen vor Inanspruchnahme
durch das nachziehende Kind offensichtlich nicht zu dessen
Lasrten werten. Mithin sprechen weder dogmatische noch praktische Erwägungen
für die Ansicht des BVerwG.

Es ist deswegen gesetzgeberisch festzulegen, dass es im Rahmen des Kindernachzugs
ausreicht, wenn der Antrag vor Erreichen der jeweiligen Altersgrenze gestellt wurde, ohne dass zu diesem Zeitpunkt auch die weiteren Voraussetzungen vorliegen müßten.

28. Fristen für Aufenthaltsverfestigung herabsetzen
Mit Blick auf die seit dem Jahr 2000 im Einbürgerungsrecht geltende Verkürzung
der Einbürgerungsfristen sind auch die Fristen für die Aufenthaltsverfestigung
bei Aufenthaltsrechten, die aus humanitären Gründen erteilt werden, zu
verkürzen.
Die Niederlassungserlaubnis ist nach einheitlichen Aufenthaltszeiten einschließlich
der Zeiten der Gestattung, Duldung und einer Aufenthaltsgenehmigung
bzw. eines Aufenthaltstitels zu erteilen. Hierbei sind in Anlehnung an die
Rechtsprechung des BVerwG zu § 85 AufenthG alle Aufenthaltszeiten zu berücksichtigen,
unabhängig davon, ob sie unterbrochen oder nahtlos bewilligt
wurden.

29. Begriff der „Sicherung des Lebensunterhaltes“ gesetzlich definieren
Die Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel
ist in diversen Konstellationen für die Erteilung oder Verfestigung des Aufenthalts,
den Familiennachzug sowie grundsätzlich für die Einbürgerung erforderlich.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BVerwG soll sie jedoch nur
dann vorliegen, wenn kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II mehr
besteht. Der zuvor in der Rechtsprechung bestehende Streit, ob Einkommen
in Höhe der Regelbedarfssätze des SGB II – eventuell zuzüglich eines pauschalen
Mehrbedarfs in Höhe von 10 Prozent – ausreicht, ist damit zunächst
beendet.
Diese Anforderungen des BVerwG sind jedoch zu hoch. Aufgrund der nach
dieser Berechnungsmethode zu berücksichtigenden Freibeträge können kinderreiche Familien die Hürde „ausreichendes Einkommen“ oft nicht nehmen.
Damit verkehrt sich die Funktion der Freibeträge, Erwerbstätigkeit zu belohnen,
in ihr Gegenteil und wird zum Nachteil für die Betroffenen. Nicht nachzuvollziehen
ist, weshalb Einkommen, über welches die Bezieher de facto verfügen
und das lediglich rechnerisch unberücksichtigt bleibt, bei der aufenthaltsrechtlichen
Beurteilung eines Sachverhalts ausgeblendet werden soll.
Im Übrigen ist diese Rechtsprechung des BverwG im Bereich der Familienzusammenführung
durch diejenige des EuGH, der grundsätzlich die Regelsätze der Sozialhilfe ausreichen lässt und zusätzlich eine individuelle Prüfung verlangt (EuGH, U.v. 4.3.2010 – C-578/08 –Chakroun), bereits überholt. Da auch kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich ist, weshalb anerkannte Flüchtlinge schlechter zu stellen sein sollten, ist – unbeschadet weitergehender Ermessens- und Ausnahmeregelungen im Einzelfall (§§ 5 I, 27 III AufenthG) – klarzustellen, dass für diesen Personenkreis dasselbe Limit gilt.
Mithin ist gesetzlich festzulegen, dass der Lebensunterhalt bereits als ausreichend
gesichert gilt, wenn Einkommen in Höhe der sozialrechtlichen Regelsätze
erzielt wird.
Gemäß § 2 AufenthG soll Wohngeld hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts
nicht anrechenbar sein.
Das ist nicht realitätsgerecht, denn die Gewährung von Wohngeld gleicht in
vielen Fällen lediglich die kinderbedingten erhöhten Wohnkosten aus und stellt
letztlich keine öffentliche Leistung zugunsten des betroffenen Ausländers,
sondern verfolgt den wohnungsmarktpolitischen Zweck der Erhaltung bzw.
Herstellung ausgewogenener Siedlungsstrukturen. Es ist daher gesetzlich anzuordnen,
dass das Wohngeld als Einkommensbestandteil zu berücksichtigen
ist.

30. Recht und Praxis der Abschiebungshaft reformieren
Die Ausgestaltung und Dauer von Abschiebungshaft in der Bundesrepublik
Deutschland sind eines modernen Rechtsstaates unwürdig. Eine Verkürzung
der Verfahrensdauer und die Verringerung der Abschiebungshaftzahlen dient
auch der Verwaltungsvereinfachung und der Kosteneinsparung.
Abschiebungshaft wird zu häufig zur Erleichterung behördlicher Tätigkeit beantragt
und verhängt.
Die Dauer der Abschiebungshaft ist auf einen Monat (in Ausnahmefällen drei
Monate) zu begrenzen.
Gesetzlich ist festzulegen, dass Schwangere, Eltern mit Kleinkindern und Minderjährige
sowie Traumatisierte, sonstige psychisch Kranke und Behinderte
nicht in Abschiebungshaft genommen werden dürfen.
Ebenso ist gesetzlich festzulegen, dass über die Freiheitsbeschränkung hinaus
keine weiteren haftähnlichen Maßnahmen ergriffen werden dürfen (z. B.
Besuchsverbote, Disziplinarmaßnahmen etc).
Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie ist umzusetzen d. h. der Vollzug von
Abschiebungshaft gemeinsam mit dem Untersuchungs- bzw. Strafhäftling zu
untersagen.
Während des Vollzuges der Abschiebehaft ist eine angemessene ärztliche
Versorgung unter Wahrung der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient
sicherzustellen.
Für die rechtliche Beratung und Vertretung von bedürftigen Abschiebungshäftlingen
im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten kann derzeit Verfahrenskostenhilfe
gem. §§ 76 ff. FamFG beantragt werden. Diese wird in der Praxis
nicht selten wegen fehlender Erfolgsaussichten versagt, obwohl nicht selten
Haftanordnungen später aufgehoben werden. Betroffene werden so jedoch
daran gehindert, sich anwaltlichen Beistandes zu versichern.

Durch das FamFG ist der BGH anstelle der Oberlandesgerichte letzte Instanz
im Rechtsbeschwerdeverfahren geworden. Die Pflicht , sich vor dem BGH
durch einen dort zugelassenen Anwalt vertreten zu lassen, bedeutet eine gravierende
Einschränkung des Rechtsschutzes der Betroffenen, da die BGHAnwälte
i. d. R. keinen direkten Kontakt zum Mandanten aufnehmen können.
An die Stelle der Rechtsbeschwerde zum BGH sollte daher wieder die weitere
Beschwerde zum OLG treten. Hilfsweise sind Freiheitsentziehungssachen
vom Anwendungsbereich des § 114 Abs. 2 FamFG auszunehmen.

31. Rechtsansprüche ohne Vorbehalt gewährleisten
Die Erteilung und Verlängerung eines Aufenthaltstitels steht in der Regel unter
dem Vorbehalt, dass “kein Ausweisungsgrund vorliegt“. Nach überwiegender
obergerichtlicher Rechtsprechung gilt als „Ausweisungsgrund“ jede im Gesetz
benannte theoretische Möglichkeit der Ausweisung, ohne Rücksicht darauf, ob
diese tatsächlich zu einer Ausweisung führen wird oder darf.
Hierdurch kann ein Aufenthaltsrecht selbst dann verloren gehen, wenn die
Ausweisung nicht verfügt werden kann, z. B. weil besonderer Ausweisungsschutz
zu bejahen ist. Dieser Wertungswiderspruch ist zu beseitigen. § 5 Abs.
1 Nr. 2 AufenthG ist dahingehend zu ändern, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels
nur dann nicht erfolgen kann, wenn eine bestands-/ rechtskräftige
Ausweisung vorliegt.

32. Erlöschenstatbestände bei Aufenthaltstiteln reduzieren
Nach § 51 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel in der Regel, wenn ein Ausländer
sich aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grunde
ins Ausland begibt oder dort für länger als sechs Monate verweilt. Insbesondere
im letztgenannten Fall kann es zu unerträglichen Härtefällen kommen, etwa
wenn ein Ausländer im Ausland erkrankt und länger als geplant dort bleiben
muss. Oftmals sind die Betroffenen über diese Folgen eines längerfristigen
Aufenthaltes nicht informiert.

Bei Ausländern, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sind, ist über die
bereits vorhandenen Sonderregelungen in § 51 Abs. 2-4 hinaus generell § 51
Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG nicht anzuwenden. Wer seit so langer Zeit in
Deutschland lebt, dass eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde, soll sicher
sein können, dass sein Aufenthalt nicht beendet werden kann, es sei denn, er
erfüllt einen Ausweisungstatbestand.
Die Anwendung der allgemeinen Vorschriften nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz
zum Widerruf und zur Rücknahme von Verwaltungsakten ist daher
– von Fällen der Täuschung oder Drohung abgesehen – im Aufenthaltsgesetz
auszuschließen.

33. § 54a AufenthG begrenzen
Die Bestimmung unterwirft Ausländer, die aus Gründen der inneren Sicherheit
ausgewiesen sind, einer Überwachung. Eine zeitliche Begrenzung ist nicht
vorgesehen. Dies ist wegen der oftmals weitreichenden Folgen (z. B. Einweisung
in eine Unterkunft, Ausschluss vom Telekommunikationsverkehr) mit
dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar. Es ist deshalb eine Befristung
der Maßnahmen einzufügen. Zumindest aber sollte eine regelmäßige,
rechtsmittelfähige Überprüfung eingeführt werden, wie sie etwa durch § 67e
StPO bei einer Unterbringung vorgeschrieben ist.

34. Bundeseinheitlichkeit bei Duldungsregelungen abschaffen
Generelle Regelungen zur Erteilung von Duldungen aus humanitären Gründen,
die über sechs Monate hinaus gelten sollen, stehen unter dem Vorbehalt
der „Bundeseinheitlichkeit“, weshalb bisher der BMI hierbei zustimmen muss.
Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung und
gegen die hiermit manifestierte Tendenz zur Aufweichung des Föderalismus
hat die Vergangenheit vor 1991 gezeigt, dass humanitäre Lösungen für einzelne
Flüchtlingsgruppen oftmals erst gefunden wurden, wenn zunächst in
einzelnen Bundesländern hierzu Maßnahmen ergriffen worden sind (z. B.
Christen aus der Türkei, Iraner,Yeziden).
Deswegen ist auf die in §§ 23 Abs.1 S. 3 und 60 a Abs. 1 S. 2 AufenthG vorgeschriebene
Bundeseinheitlichkeit der Entscheidung zu verzichten.

35. Rechtsunklarheiten bei Abschiebungsverboten beseitigen
Bei einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit soll nach
§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht abgeschoben werden. Diese Regelung, die
noch Ausnahmen zulässt, steht im Widerspruch zu Art. 3 EMRK und der Qualifikationsrichtlinie,
die in diesen Fällen ein absolutes Abschiebungsverbot verlangen.
Von einer Abschiebung ist daher unter den Voraussetzungen des § 60
Abs. 7 AufenthG zwingend abzusehen.
Sind von den Gefahren nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Gruppen von
Menschen betroffen, soll nach der derzeitigen Gesetzessystematik die Aussetzung
der Abschiebung nur aufgrund einer bundeseinheitlichen Regelung
(für länger als sechs Monate) ausgesetzt werden können (§ 60 Abs. 7 S. 3
AufenthG). Zudem soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
eine Abschiebung in diesem Fall dann nicht erfolgen können, wenn der
Ausländer sehenden Auges in den sicheren Tod oder schwerste Verletzungen
geschickt werden würde. Diese enge Interpretation steht mit Art. 3 EMRK und
Art. 15 c Qualifikationsrichtlinie nicht im Einklang. So hat das Bundesverwaltungsgericht
bereits festgestellt, dass § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG auf Fälle, in
denen Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie erfüllt ist, nicht heranzuziehen ist.
Artikel 15 c QualifikationsRL ist auch anzuwenden, wenn die Gefahr dem Einzelnen
nur droht, weil er einer bestimmbaren Gruppe zugehört. „Zielgerichtet“
gegen den Einzelnen muss die Verfolgungs- oder Kriegssituation nicht sein.
Um ein Auseinanderfallen von europäischem und nationalem Recht zu vermeiden,
ist § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG daher ersatzlos zu streichen

36. Ausstellung von Reisedokumenten erleichtern
Ausländern, die zumutbar von den Heimatbehörden einen Nationalpass nicht
erhalten können, werden in nahezu allen europäischen Ländern unbürokratisch
Reisedokumente (Fremdenpässe) ausgestellt. In Deutschland ist dies jedoch
an vielfach einengende Voraussetzungen geknüpft.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum bei Unzumutbarkeit der Erlangung des
Reisedokuments die Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen nur unter engen Voraussetzungen
einen Reiseausweis gemäß Aufenthaltsverordnung erhalten
sollen.
Die Anforderungen an die Passbeschaffung müssen bundeseinheitlich geklärt
und somit für alle Ausländerbehörden einheitlich geregelt werden, da die
Handhabung der Botschaften gleich sind, nämlich keine Reisedokumente und
keine Bestätigung über die Bemühungen des betroffenen Ausländers, diese
zu erhalten, auszustellen. Deshalb müssen die Anforderungen an die Passbeschaffungspflicht
im Wesentlichen konkretisiert werden. Auch weigern sich
Heimatstaaten in vielen Fällen (z. B. bei Kriegsdienstverweigerung), einen
Pass auszustellen. Angesichts des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung
ist nicht einsichtig, dass die Bundesrepublik diesen Ausländern für den Regelfall
ansinnt, zur Ableistung des Wehrdienstes in ihr Heimatland zurückzukehren.

37. Staatenlosigkeit Rechnung tragen
Immer mehr Schutzsuchende, die staatenlos sind oder geworden sind, finden
sich in der Situation, dass ihr Asylgesuch inhaltlich nicht überprüft wird, weil es
keinen Staat (mehr) gibt, der sie verfolgen könne und die Staaten des vormaligen
gewöhnlichen Aufenthalts eine Rückkehr für Staatenlose (d. h. ihre ehemaligen
Staatsangehörigen) verweigern. (z. B. Nachfolgestaaten des ehemaligen
Jugoslawien und der ehemaligen UdSSR). Diese – in Anwendung der
GFK angreifbare – Rechtsposition ist vielerorts praktische Realität. Oftmals
werden die Betroffenen nur langjährig geduldet.
In den Verwaltungsvorschriften ist deswegen klarzustellen, dass für diese Personengruppe
eine Aufenthaltserlaubnis und ein Reisedokument nach der
Staatenlosenkonvention zu erteilen ist bei realer Unmöglichkeit der Rückkehr
und gleichzeitiger Verweigerung der inhaltlichen Prüfung des Asylgesuchs.

38. § 84 Abs. 2 AufenthG streichen
§ 84 Abs. 2 AufenthG schafft eine Rechtslage, die mit der Verfassungstradition
Deutschlands nicht in Einklang steht. Gem. § 84 Abs. 2 sollen negative Behördenentscheidungen,
die in bestehende Rechte eingreifen (z. B. Ausweisung
oder Befristung eines Aufenthaltstitels) schon vor Rechtskraft (also auch im
Falle eines mit aufschiebender Wirkung ausgestatteten Widerspruchs, einer
Klage und sogar in Fällen positiver gerichtlicher Eilentscheidungen) nahezu
vollständig ihre Rechtswirkung entfalten. Dies hat zur Konsequenz, dass alleine
der Erlass einer negativen Entscheidung zu einem materiell rechtswidrigen
Aufenthalt in Deutschland führt (vgl. § 51 Abs. 1 AufenthG); lediglich im Fall
einer (der nicht seltenen) positiven Widerspruchs- oder Gerichtsentscheidungen
soll die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes rückwirkend entfallen.
Dieser Versuch, Behördenentscheidungen ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit zu
verabsolutieren und mit negativer Gestaltungswirkung auszustatten, entspricht
obrigkeitsstaatlichem Denken und widerspricht Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz.
§ 84 Abs. 2 AufenthG ist daher ersatzlos zu streichen.

39. Unklarheiten bei der Befristung der Wirkung von Ausweisung und Abschiebung beseitigen
Die Befristung der Ausweisung ist der gesetzliche Regelfall. Nach § 11 Abs. 1
S. 4 AufenthG beginnt diese Frist mit der Ausreise. Nicht selten können oder
dürfen Ausgewiesene jedoch nicht abgeschoben werden, weil Abschiebungsverbote
vorliegen. Für diese Personen soll dann mangels Ausreise keine Befristung
der Ausweisung möglich sein. Dies führt dazu, dass sie allenfalls eine
Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten können. Wenn
aber feststeht, dass aufgrund eines Abschiebungsverbotes eine Ausreise nicht
erfolgen kann, darf für die Befristung nicht die vorherige Ausreise verlangt
werden. § 11 Abs. 1 S. 4 AufenthG ist entsprechend zu ergänzen, dass in diesem
Fall die Frist mit der Antragstellung beginnt.
Nach nationalem Recht sperrt die Ausweisung die Erteilung eines Aufenthaltstitels
zunächst zeitlich unbeschränkt. Diese Wirkung kann nur auf Antrag beseitigt
werden. Die bis 2011 umzusetzende EU-Rückführungsrichtlinie sieht allerdings
eine automatische Frist von fünf Jahren vor. § 11 Abs. 1 AufenthG ist
entsprechend zu ergänzen.

40. Aufenthaltsverfestigung bei humanitären Situationen harmonisieren
Nach siebenjährigem Aufenthalt mit Aufenthaltserlaubnis aus humanitären
Gründen kann gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt
werden. In diese Frist ist die Zeit des (letzten) vorausgegangenen Asylverfahrens
einzurechnen. Zeiten eines geduldeten Aufenthalts nach dem
1.1.2005 werden nicht mehr einbezogen. Zeiten des Besitzes einer anderen
Aufenthaltserlaubnis – z. B. zum Zwecke des Studiums oder der Familienzusammenführung
– sind ebenfalls unerheblich.
Das ist sachlich nicht nachvollziehbar. Da in diesen Zeiträumen oft erhebliche
Integrationsleistungen erbracht wurden und keine Aufenthaltsbeendigung erfolgte,
steht ihre Nichtberücksichtigung im Widerspruch zum Zweck des § 26
Abs. 4 AufenthG. Diese Regelung hat daher klarzustellen, dass die Zeiten des
Besitzes eines Aufenthaltstitels, einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung generell
in vollem zeitlichen Umfang anzurechnen sind.

41. Kettenduldungen abschaffen
Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel, sondern die Aussetzung der Abschiebung.
Obwohl der seit dem 1.Januar 2005 geltende § 25 Abs. 3 bis 5
AufenthG die Abschaffung von Kettenduldungen bezweckte, ist dieses Ziel
noch immer nicht erreicht. Dies führt für die Betroffenen zu menschenunwürdi25
gen Zuständen, da der Zugang zu weiterer Integration versperrt wird, obwohl
dieser Personenkreis sich langfristig im Bundesgebiet aufhalten wird. § 25
Abs. 5 S. 2 AufenthG ist daher als zwingende Regelung zu gestalten.

42. Arbeitsmöglichkeiten für Geduldete erhalten, Beschäftigungsverfahrensverordnung
reformieren

§ 10 BeschVerfV lässt für geduldete Ausländer mit Zustimmung der Agentur
nach einem Jahr die Beschäftigung zu. Die Praxis zeigt, dass diese Erlaubnis
versagt wird, z. B. bei angeblich ungeklärter Identität.
Der Passus in § 11 BeschVerfV „…oder wenn bei diesen Ausländern aus von
ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen
werden können“ ist ersatzlos zu streichen, da dies zu einer intransparenten
Behördenpraxis geführt hat und die beabsichtigte Regelung eines erleichterten
Zugangs zum Arbeitsmarkt nach Erreichen der Fristen geradezu
unterläuft.
Nach Ablauf von vier Jahren bzw. schon vorher für eine Berufsausbildung wird
die Zustimmung der Arbeitsagentur ohne Vorrangprüfung erteilt, § 10 Abs. 2
BeschVerfV. Die vom Gesetzgeber hier verfolgte Intention, dem entsprechenden
Personenkreis den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt zu eröffnen, wird in
der Behördenpraxis indessen dadurch unterlaufen, dass im Rahmen des
durch § 10 Abs. 1 S. 1 BeschVerfV auch in diesen Fällen eingeräumten Ermessens
die Beschäftigungserlaubnis versagt wird, z. B. mit dem Hinweis auf
fehlendes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsverfestigung früherer Straftäter.
Dadurch wird insbesondere die Integration junger Ausländer, die in der
Adoleszenzphase vorübergehend delinquent geworden sind, behindert.
§ 10 Abs. 2 BeschVerfV ist um den Hinweis zu ergänzen, dass ein Anspruch
auf die Beschäftigungserlaubnis besteht.

43. Aufenthaltsrecht für ehemalige Deutsche von Amts wegen und
ab Verlust der Rechtsstellung erteilen

§ 38 Abs. 1 S. 2 AufenthG sieht vor, dass ehemaligen Deutschen, die in
Deutschland leben, ein Aufenthaltsrecht zu gewähren ist. Das ist vernünftig
und sollte beibehalten werden. Nicht vernünftig jedoch ist, dies von einem Antrag
abhängig zu machen, der innerhalb von sechs Monaten zu stellen ist.
Hierdurch werden unnötig Probleme vorprogrammiert. Von Amts wegen ist ein
Aufenthaltsrecht zu erteilen und zwar ab Verlust der Rechtsstellung.

44. Ausreiseeinrichtungen abschaffen
Die Erfahrungen mit derartigen Einrichtungen z. B. in Niedersachsen und Bayern
haben gezeigt, dass Ausreisen so keineswegs schneller erreicht werden
und sich auch nicht mehr „freiwillige“ Ausreisen in quantitativ nennenswerter
Zahl auf dieses Weise bewerkstelligen lassen. Man isoliert lediglich potentiell
Ausreispflichtige, schafft so ein soziales Ghetto und treibt Menschen in die Illegalität.
Wegen des erforderlichen Verwaltungs- und Organisationsaufwandes
werden zudem die Länderhaushalte erheblich belastet. § 61 Abs. 2 AufenthG
ist deswegen ersatzlos zu streichen.

45. Verbot der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis
nach qualifizierter Asylablehnung abschaffen

§ 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG sieht vor, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels
verboten ist, wenn ein Asylantrag qualifiziert als offensichtlich unbegründet
gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde. Eine Ausnahme ist nur bei gesetzlichen
Ansprüchen möglich. Dies führt dazu, dass Personen, die z. B. aus
familiären Gründen oder wegen unverschuldeter Passlosigkeit nicht abgeschoben
werden können, dauerhaft keinen Aufenthaltstitel erhalten können
und im Duldungsstatus verbleiben. Damit wird das gesetzgeberische Ziel der
Abschaffung von Kettenduldungen ad absurdum geführt. § 10 Abs. 3
AufenthG ist dahingehend zu ergänzen, dass Satz 2 auch in Fällen des humanitären
Aufenthalts keine Anwendung finden darf.

III. STAATSANGEHÖRIGKEITSRECHT

46. Optionsmodell für hier Geborene streichen
Nach § 29 StAG müssen sich Kinder ausländischer Eltern, die durch Geburt
Deutsche wurden, zwischen Erreichen der Volljährigkeit und dem 23. Lebensjahr
durch Aufgabe einer weiteren Staatsangehörigkeit für die deutsche
Staatsangehörigkeit entscheiden, ansonsten geht die deutsche Staatsangehörigkeit
verloren.
Kinder deutscher Eltern, die bei Geburt eine weitere Staatsangehörigkeit erwerben,
werden nicht vor diese Verlustalternative gestellt.
Da der Geburtserwerb durch Kinder ausländischer Eltern hinsichtlich der Aufenthaltsdauer
der ausländischen Eltern schon hohe Anforderungen stellt, ist
kein Grund ersichtlich, warum die hier beschriebene Personengruppe anders
behandelt werden sollte, als Kinder deutscher Eltern.
§ 29 StAG ist daher ersatzlos zu streichen.

47. Anrechenbare Aufenthaltszeiten anpassen
Für Ausländer, denen im Anschluss an die Aufenthaltserlaubnis die Niederlassungserlaubnis
erteilt wurde, ergeben sich Probleme bei der Anrechnung bestimmter
Aufenthaltszeiten im Fall von Anspruchseinbürgerungen. Dies betrifft
zumeist (ehemalige) Flüchtlinge, deren Schutzersuchen auf andere Weise als
durch Flüchtlingsanerkennung Rechnung getragen wurde (z. B. Altfallregelung,
Traumatisiertenregelung etc.). Hier muss eine einheitliche Regelung für
die Anrechnung der Voraufenthaltszeiten geschaffen werden.
Sämtliche Zeiträume, die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis angerechnet
werden, sind auch bei der Anspruchseinbürgerung anzurechnen.

48. Einbürgerungszusicherung zur Vermeidung von Staatenlosigkeit
ohne Vorbehalt verbindlich gestalten

Bei Ausländern, die in den deutschen Staatsverband erst nach Entlassung aus
der Heimatstaatsangehörigkeit eingebürgert werden – das sind die meisten –
behilft sich die Verwaltungspraxis damit, eine Einbürgerungszusicherung zu
erteilen. Hiermit können die meisten Personen dann die Entlassung aus der
Heimatstaatsangehörigkeit bewirken. Die Einbürgerungszusicherungen stehen
jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich die Sachlage nicht nachträglich zu Ungunsten
des Einbürgerungs-bewerbers verändert.
Tritt nun zwischen Erteilung der Einbürgerungszusicherung und nach Entlassung
aus der Heimatstaatsangehörigkeit ein Umstand auf, der nach geltendem
Recht die Einbürgerung hindert (z. B. Verlust der Unterhaltsfähigkeit), finden
sich nicht wenige Einbürgerungsbewerber im Zustand der Staatenlosigkeit
wieder. Sie wurden bereits aus der Heimatstaatsangehörigkeit entlassen, in
den deutschen Staatsverband werden sie aber wegen Hinderungsgründen
nicht eingebürgert.
Das Gleiche trifft sinngemäß bei Straffälligkeit zu, die zwar keine Ausweisung
nach sich ziehen muss, aber Probleme bei der Einbürgerung mit sich bringt.
Unter Hinweis auf § 12 b StAG sollen weitergehende Ausnahmevorschriften,
vor allem integrationsförderlicher als bisher gestaltet werden.
In den Fällen, in denen ein Einbürgerungsbewerber sich in gutem Glauben
aus der Heimatstaatsangehörigkeit hat entlassen lassen, muss die Einbürgerung
erfolgen, auch wenn zwischenzeitlich Hinderungsgründe aufgetreten
sind. Rechtstechnisch kann dies dadurch bewirkt werden, dass die Einbürgerungszusicherung
im StAG gesetzlich geregelt und der Zeitpunkt der Erteilung
der Einbürgerungszusicherung zum „maßgeblichen Zeitpunkt“ für das Vorliegen
der Einbürgerungsvoraussetzung erklärt wird.

49. Erleichterungen für hier aufgewachsene Jugendliche (Verzicht auf Lebensunterhaltssicherung) wieder gesetzlich regeln
Befindet sich ein hier aufgewachsener Ausländer in einer Ausbildung, die zu
einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt, wozu
auch ein Studium zählt, so zeigt sich hierdurch das Interesse an Integration
und Verbesserung seiner beruflichen Chancen. Deshalb ist es kontraproduktiv,
die Sicherung des Lebensunterhalts zum Zwecke der Einbürgerung zu verlangen.
Von der Sicherung des Lebensunterhalts ist daher in diesen Fällen
abzusehen.

IV. S O Z I A L R E C H T

50. Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) abschaffen
Die besondere Behandlung von Flüchtlingen, die für diese Personengruppe
ein Existenzminimum unterhalb dem anderer Bürger definiert, ist diskriminierend.
Die Diskriminierung besteht in dem Ausschluss bestimmter Personengruppen
aus der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Fest
steht auch, dass der „Sachleistungsvorrang“ des Asylbewerberleistungsgesetzes
teurer ist, als die Hingabe von Geld.
Die Leistungen, die primär von Asylsuchenden und Geduldeten bezogen werden,
betragen nur rund zwei Drittel der Leistungen für Sozialhilfeempfängerinnen
und – empfänger. Diese Leistungshöhe gilt seit 1993 unverändert. Nicht
nur diese Leistungseinschränkungen führen zur Entmündigung von Flüchtlingen.
Als besonders diskriminierend ist die Beschränkung der medizinischen
Versorgung auf die unabweisbar notwendige Behandlung, z. B bei akuten
Schmerzzuständen, zu bewerten.
Ein Zustand, der dazu führt, dass sozialrechtliche Streitigkeiten vor den überlasteten
Gerichten zugenommen haben.
Die Abschaffung des AsylbLG dient auch dem Abbau der Bürokratie und der Verschlankung des Rechtsstaates.

51. AsylbLG
Solange das AsylbLG noch gilt, ist kurzfristig folgendes zu regeln:
Es ist aus sozial- und arbeitsmarktpolitischer Perspektive nicht sinnvoll, dass
Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis, die eine dauerhafte Bleibeperspektive
bieten kann (§§ 23, 24, 25) weiterhin dem AsylbLG unterfallen.
Das AsylbLG ist daher dahingehend zu ändern, dass mit Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG entfällt.
Für die verbleibenden Bezieher von Asylbewerberleistungen ist eine Anpassung
der seit 1993 unveränderten Geldleistungen nach § 3 AsylbLG an das
menschenwürdige Existenzminimum (vgl. BVerfG, Urt. v. 9.2.2010, 1 BvL
1/09) vorzunehmen. Dabei ist insbesondere ein spezifischer Bedarf von Kindern
voll zu berücksichtigen; diese dürfen nicht für die Migrationsentscheidung
ihrer Eltern in Haftung genommen werden.
Die Wartefrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist nicht mehr durch die gesetzgeberische
Begründung gedeckt, der dem AsylbLG unterfallende Personenkreis
weise einen geringeren Integrationsbedarf auf. Die Frist ist auf die ursprüngliche
Dauer eines Jahres zu verkürzen.
Nach der insoweit kritikwürdigen Auffassung des BSG soll auch ein in der
Vergangenheit abgeschlossenes und nicht mehr aufrechterhaltenes aufenthaltsverlängerndes
Verhalten zum dauerhaften Ausschluss von den sog. Analogleistungen
nach § 2 Abs. 1 AsylbLG führen. Die Betroffenen werden damit
dauerhaft vom soziokulturellen Existenzminimum und einer gesellschaftlichen
Integration ferngehalten. § 2 Abs. 1 AsylbLG a. E. ist daher umzuformulieren
in „… nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflussen.“
Nach Auffassung des BSG soll ferner ein in Deutschland geborenes Kind auch
dann bis zum 4. Geburtstag nur Leistungen nach § 3 AsylbLG beziehen, wenn
seine Eltern bereits zu einem früheren Zeitpunkt Analogleistungen erhalten.
Die zusätzliche Sanktionierung gerade von Kindern ist nicht nachvollziehbar.
Es bedarf daher einer gesetzgeberischen Klarstellung in § 2 AsylbLG.
Die Regelung der §§ 4, 6 AsylbLG hinsichtlich der Erbringung medizinischer
Versorgungsleistungen hat sich in der Praxis als völlig unzureichend erwiesen.
Bezieher von Asylbewerberleistungen werden nicht, zu spät oder nicht hinreichend
medizinisch versorgt. Dies führt zu teils gravierenden Gesundheitsverschlechterungen,
die neben der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit
der Betroffenen auch mit erheblichen sozialen Folgekosten (letztlich
höhere Behandlungskosten, teilweiser oder völliger Verlust der Arbeitsfähigkeit)
verbunden ist. Die Regelung ist ersatzlos zu streichen und schon aus
menschenrechtlichen Gründen durch eine Regelung analog der im SGB II/XII
geltenden zu ersetzen.

52. Familienleistungen auch Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht gewähren
Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen werden
Familienleistungen (Elterngeld, Kindergeld) vorenthalten, wenn sie bestimmte
Voraufenthaltszeiten nicht erfüllen bzw. nicht erwerbstätig sind oder sein dürfen.
Diese Rechtslage ist nicht nachvollziehbar. Oftmals hat bereits im Vorfeld
– während des Besitzes der Duldung – eine erhebliche Integration stattgefunden.
Es hat daher eine gesetzliche Gleichstellung mit anderen Inhabern von
Aufenthaltserlaubnissen zu erfolgen.

53. Leistungsausschluss für SGB II – Leistungen bei Familiennachzug beseitigen
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Ausländer, soweit sie weder Arbeitnehmer
oder Selbständige noch nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt
sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts von Leistun32
gen nach dem SGB II ausgeschlossen. Betroffen hiervon sind vor allem Ausländer,
die im Weg der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen
sind, und zwar auch Familienangehörige von Deutschen.
Der Ausschluss ist bereits vom Ansatz her widersinnig. Beim Familiennachzug
zu Deutschen kommt es im Regelfall nicht auf die Sicherung des Lebensunterhalts
an, so dass auch bei absehbarer Inanspruchnahme von Sozialleistungen
der Nachzug zu gewährleisten ist. Beim Familiennachzug zu Ausländern
kommt es bereits im Visumverfahren darauf an, ob der Lebensunterhalt gesichert
sein muss oder nicht. Ist dies nicht der Fall, wie z. B. bei anerkannten
Flüchtlingen in den ersten 3 Monaten nach Anerkennung, kann dies nicht dadurch
unterlaufen werden, dass den nachziehenden Familienmitgliedern dann
keine Sozialleistungen gewährt werden.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II muss daher entsprechend geändert werden.

54. Rechtsanspruch auf Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse schaffen
Bislang gibt es keine einheitlichen Verfahren in Deutschland für die Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener beruflicher Qualifikationen und Abschlüsse. Dadurch bleiben auch Ressourcen der in Deutschland lebenden Ausländer ungenutzt und diese sind gezwungen, weit unterhalb ihrer Qualifikation zu arbeiten. Hier bedarf es eines Rechtsanspruches auf ein Anerkennungsverfahren für alle Menschen mit ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen und zwar unabhängig vom jeweiligen Rechtsstatus.

55. Zugang zu BAföG- und BAB-Leistungen erweitern
Bei Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG wird die Gewährung von BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) von einem Voraufenthalt von vier Jahren abhängig gemacht.
Da es sich um Ausländer mit absehbarem Daueraufenthalt und zugleich in der Regel um subsidiär Schutzberechtigte handelt, sollte die Weiterbildung im Interesse der Integration frühestmöglich gefördert werden.
Das Erfordernis des Voraufenthalts ist daher zu streichen.
Ähnliches gilt für die weiteren in § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG aufgeführten Gruppen,
bei denen regelmäßig ebenfalls eine dauerhafte Bleibe- und Integrationsperspektive
besteht.
Geduldete Ausländer können nach vierjährigem Aufenthalt BAföG und BABLeistungen
erhalten. Für Asylbewerber ist dies nicht vorgesehen und zwar unabhängig
davon, wie lange ihr Verfahren bereits dauert.
Diese Schlechterstellung ist nicht zu rechtfertigen. Außerdem kann es nicht im
Interesse der Gesellschaft liegen, die Fortbildung und Integration über Jahre
hinweg zu verhindern.
Asylsuchenden sollte daher ebenso wie bereits Geduldeten nach vier Jahren
Wartefrist Zugang zu BAföG und BAB ermöglicht werden.
Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG sind nur nach Maßgabe
des § 8 Abs. 3 AufenthG BAföG-berechtigt. Dies ist nicht nachvollziehbar,
da bei ihnen regelmäßig eine feste Bleibeperspektive besteht und im Fall des
§ 36 Abs. 1 AufenthG die Bedingungen von § 8 Abs. 3 AufenthG ihrem Wort
und Sinn nach nicht erfüllbar sind. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 36
AufenthG ist in § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG aufzunehmen.
Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG genießen die sog.
„kleine Freizügigkeit“. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum damit kein Anspruch
auf BAföG nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG einhergeht. Vielmehr ist hier
die BAföG- Regelung entsprechend zu erweitern.