Prof. Dr. jur. Holger Hoffmann
Fachhochschule Bielefeld
Fachbereich Sozialwesen
Europäische Entwicklungen im Flüchtlings- und Asylrecht
Mai bis Dezember 2010
A.) Rechtsprechung EuGH
I.) C- 101/ 09 und C 57/09- Urteile vom 9. November 2010
Beide Vorabentscheidungsverfahren, vorgelegt vom BVerwG, betreffen die
Auslegung von Art. 12, Abs. 2, Buchstabe B und C der Qualifikationsrichtlinie.
Mit Urteilen vom 9. November 2011 hat der Gerichtshof (Große Kammer)
für Recht erkannt (im folgenden nur die Leitsätze – die Urteile sind im Volltext
unter Angabe des AZ von der Homepage des EUGH abrufbar):
1. Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.
April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von
Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen,
die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt
des zu gewährenden Schutzes ist dahin auszulegen,
– dass der Umstand, dass eine Person einer Organisation angehört hat, die wegen ihrer Beteiligung an terroristischen Handlungen in der Liste im
Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom
27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur
Bekämpfung des Terrorismus aufgeführt ist, und den von dieser Organisation
geführten bewaffneten Kampf aktiv unterstützt hat, nicht automatisch
einen schwerwiegenden Grund darstellt, der zu der Annahme berechtigt,
dass diese Person eine „schwere nichtpolitische Straftat“ oder
„Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen
zuwiderlaufen“, begangen hat;
– dass in einem solchen Kontext die Feststellung, dass schwerwiegende
Gründe zu der Annahme berechtigen, dass eine Person eine solche
Straftat begangen hat oder sich solche Handlungen hat zuschulden
kommen lassen, eine Beurteilung der genauen tatsächlichen Umstände
des Einzelfalls voraussetzt, um zu ermitteln, ob von der betreffenden Organisation
begangene Handlungen die in den genannten Bestimmungen
festgelegten Voraussetzungen erfüllen und ob der betreffenden Person
eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen
zugerechnet werden kann, wobei dem in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie
verlangten Beweisniveau Rechnung zu tragen ist.
2. Der Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 12 Abs. 2
Buchst. b oder c der Richtlinie 2004/83 setzt nicht voraus, dass von der betreffenden
Person eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmemitgliedstaat
ausgeht.
3. Der Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling gemäß Art. 12 Abs. 2
Buchst. b oder c der Richtlinie 2004/83 setzt keine auf den Einzelfall bezogene
Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus.
4. Art. 3 der Richtlinie 2004/83 ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten
nach ihrem nationalen Recht einer Person, die gemäß Art. 12 Abs. 2 der
Richtlinie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist, ein Asylrecht
zuerkennen können, soweit diese andere Form des Schutzes nicht die
Gefahr der Verwechslung mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne
der Richtlinie birgt.
II.) EuGH soll Voraussetzungen für religiöse Verfolgung klären
Das BverwG hat mit zwei Beschlüssen (10 C 19.09 und 10 C 21.09 – 9. Dezember
2010) in zwei Verfahren, in denen es um die Flüchtlingsanerkennung wegen religiöser
Verfolgung geht, den EuGH angerufen. Die zur Vorabentscheidung vorgelegten
Fragen betreffen die Qualifikationsrichtlinie. Die Kläger der Ausgangsverfahren sind
zwei in den Jahren 2003 und 2004 nach Deutschland eingereiste pakistanische
Staatsangehörige. Sie beantragten hier Asyl und beriefen sich darauf, wegen ihrer
religiösen Betätigung als Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan
verfolgt zu werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die
Anträge der Kläger ab. Das OVG verpflichtete das BAMF, die Kläger als Flüchtlinge
anzuerkennen.
Nach den Feststellungen des OVG versteht sich die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft
als innerislamische Erneuerungsbewegung, zu der in Pakistan etwa ein bis
zwei Millionen Gläubige (Ahmadis) zählen. Den Ahmadis ist es – so das OVG – untersagt,
öffentliche Versammlungen abzuhalten, auf denen gebetet wird. Hingegen
werde es ihnen nicht generell unmöglich gemacht, sich in ihren Gebetshäusern zu
versammeln. Allerdings werde die gemeinsame Ausübung des Glaubens dadurch
behindert, dass Gebetshäuser aus willkürlichen Gründen geschlossen, ihre Errichtung
verhindert oder sie von Extremisten überfallen würden. Aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts
stellen die Beschränkungen der Religionsfreiheit in Pakistan für
einen dem Glauben eng und verpflichtend verbundenen Ahmadi, zu dessen Überzeugung
es auch gehört, den Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und in diese zu
tragen, eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit dar. Hiergegen richten
sich die Revisionen des Bundesamts und des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten.
In beiden Revisionsverfahren vor dem BVerwG kommt es insbesondere
darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen die Sanktionierung einer zukünftigen
Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit zur Flüchtlingsanerkennung führt.
III.) Kontrollen im grenznahen Raum
Am 22.06.2010 entschied der EuGH, dass Mitgliedsstaaten der EU, die dem Schengen
Acquis angehören, auch nach Wegfall von Grenzkontrollen in einer grenznahen
Zone von 20 km Personenkontrollen durchführen dürfen (C 188/10 Aziz Aziz Melki
und C 189/10 Sélim Abdeli).
Die Fälle waren vom französischen Kassationsgerichtshof dem EuGH vorgelegt worden.
Es ging um eine Personenkontrolle 20 km entfernt von der belgischen Grenze.
Zwei algerische Staatsangehörige waren im März 2010 bei dieser Kontrolle ohne die
notwendigen Papiere aufgegriffen worden und wurden seitdem in Gewahrsam gehalten.
Gegen ihre Inhaftierung in Frankreich klagten sie u. a. mit der Begründung,
das französische Gesetz, das Personenkontrollen im grenznahen Raum vorsehe,
verstoße gegen europäisches Recht.
Der Gerichtshof wies dieses Argument mit der Begründung zurück, es handele sich
bei den fraglichen Kontrollen nicht um Grenzkontrollen, sondern um polizeiliche
Maßnahmen. Dazu stützt sich der EuGH auf Art. 21 des Schengener Grenzkodex
(Verordnung EG 562/2006, 13.04.2006). Danach bleibt die Ausübung polizeilicher
Befugnisse von der Abschaffung der Grenzkontrollen unberührt „sofern die Ausübung
solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzkontrollen hat“.
B.) Rechtsprechung des EGMR
I.) EGMR : Entscheidung zum Folterverbot
Der EGMR hat durch Urteil vom 25.05.2010 entschieden (Aktenzeichen 19956/06-
S.H. gegen Vereinigtes Königsreich), dass es dem jeweiligen Mitgliedsstaat obliege,
nachzuweisen, dass in einem Staat, von dem der EGMR annimmt, dass Folter praktiziert
wird, keine Folter durchgeführt wird.
Inhaltlich ging es in dem Verfahren um einen Staatsangehörigen aus Bhutan, der
nach England gekommen war und sich darauf beruft, dass er als ethnischer Nepalese
in Bhutan gefoltert worden sei. Grundsätzlich geht es um Diskriminierung der
nepalesischen Minderheit in Bhutan, mit Drohung mit Verhaftung und Entzug der
bhutanesischen Staatsangehörigkeit. Großbritannien hat den Antrag Flüchtlingsschutz
abgelehnt. Rechtsmittel blieben erfolglos. Sachverständige Stellen konnten
nur die Gefährdung des Flüchtlings nicht ausschließen, eine konkrete Einschätzung,
ob bei Rückkehr etwas geschehen würde, wurde nicht abgegeben. Der Gerichtshof
erklärt daraufhin, dass die Schilderung des Flüchtlings in Übereinstimmung mit den
vorhandenen Informationen stehe bezüglich der Situation der nepalesischen Minderheit
und das Vereinigte Königreich dem nicht entgegentreten könne. Die Besorgnis
des Gerichts, der Flüchtling könne unmenschlich behandelt werden, sei daher nicht
zerstreut worden. Die Abschiebung nach Bhutan verletze daher Art. 3 EMRK.
II.) Entscheidungen des EGMR zu Abschiebungen nach Griechenland im
Rahmen von Dublin II
Im gesamten Jahr 2010 hat der EGMR zunächst in einer Vielzahl von Einzelfällen
und seit Oktober dann in generalisierender Weise Abschiebungen nach Griechenland
untersagt.
Ein von der ELENA Referentin Maria Hennessy gefertigter Überblick über die Rechtsprechung
und die unterschiedliche Staatenpraxis, die sich daraus entwickelt hat,
sind diesem Bericht als Anlagen 2 und 3 beigefügt.
Anlässlich der Verhandlung vor dem BVerfG am 28.10.10 gab der BMI bekannt, das
bis Oktober 2010 aus Deutschland 43 Personen nach Griechenland abgeschoben
worden seien, und Deutschland im selben Zeitraum in 1017 Fällen vom Selbsteintrittsrecht
Gebrauch gemacht und die Verfahren übernommen habe.
Einige Einzelfälle:
1.) Der EGMR hat den Niederlanden mit einer Entscheidung vom 03.06.2010
untersagt, Asylbewerber aus Zentral- und Südsomalia im Rahmen des Dublin
II-Verfahrens nach Griechenland zurückzuschicken mit einer Maßnahme gem.
Art. 39 VerfO (Aktenzeichen 30383/10 – Isman u. a.). Dies ist die erste Entscheidung
gem. Art. 39, die begründet wurde. Die Gründe:
– Es bestehe aus Sicht des Gerichtshofs die Gefahr, dass eine Zurückschiebung
aus Griechenland nach Somalia erfolge ohne vorherige ausreichende
und sorgfältige Untersuchung des Fluchtschicksals.
– Es bestehe ferner die Gefahr einer Entfernung aus Griechenland ohne ordentliches
Gerichtsverfahren.
– Weil die Sicherheitssituation in Somalia (insbesondere im Süden und im Zentrum)
problematisch sei, sei eine Zurückschiebung nach dort nicht zu vertreten.
Der Gerichtshof untersuche in einer Reihe von Fällen nur ob die Überstellung
von Somalia nach Griechenland aufgrund Dublin II sich in Übereinstimmung
mit Art. 3 EMRK befindet.
2.) Durch ein weiteres Urteil vom 22.07.2010 (Aktenzeichen 12186/08-A.R./Griechenland)
hat der EGMR entschieden, dass die Lebensumstände im Lager
auf der Insel Samos eine erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3
EMRK darstellen. Die dort tatsächlich durchgeführte Freiheitsentziehung war
menschenrechtswidrig. Griechische Gerichte dürfen über deren Rechtmäßigkeit
nicht entscheiden (Verstoß gegen Art. 5 Abs. 4 EMRK). Haft ab Asylantragstellung
war unrechtmäßig (Art. 5 Abs. 1 EMRK).
3.) Mit Schreiben vom 22.10.2010 an die Regierung Schwedens wies der EGMR
darauf hin, dass er bis auf Weiteres alle Abschiebungen nach Bagdad/Irak
untersagen werde. In allen Fällen, in denen Iraker Abschiebungsschutz gegen
eine Abschiebung nach Bagdad suchen, hält der EGMR die Anwendung von Art.
39 Verfahrensordnung (vorläufige Maßnahmen) für angemessen. Grund sei die
verschlechterte Sicherheitslage in Bagdad und anderen Provinzen, ferner die von
ONHCR weiterhin geäußerten Sicherheitsbedenken bei einer Rückführung in
den Irak.
Praktischer Hinweis: Der EGMR veröffentlicht Themenpapiere („Factsheets“), die
jeweils Überblicke über die wichtigsten EGMR-Entscheidungen und anhängige Verfahren
geben. Die Webadresse: www.echr.coe.int – dort Stichwort „press“.
C.) Kinderrechtskonvention und EU
Im Mai 2010 hat Deutschland die 1992 erklärten Vorbehalte gegen die Anwendung
der UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen und die Konvention in Deutschland
für voll anwendbar erklärt. Die Einschränkungen betrafen minderjährige Flüchtlinge,
denen nicht dieselben Rechte wie deutschen Kindern zugebilligt worden
waren. Seinerzeit hatten insbesondere die Bundesländer auf die Vorbehaltserklärung
gedrungen, da sie für Unterbringung und Betreuung der Flüchtlingskinder zuständig
sind. Nunmehr konnte jedoch auch der Bundesrat davon überzeugt werden, dass die
Vorbehalte anachronistisch waren.
Am 06. Mai 2010 hat die EU-Kommission einen Aktionsplan angenommen, um
minderjährige Drittstaatsangehörige, die ohne Begleitung eines Erwachsenen in die
EU eingereist sind oder nach ihrer Einreise ohne Begleitung zurückgelassen wurden,
durch die Festlegung gemeinsamer Normen bezüglich Rechtsbeistand und Vormundschaft
besser zu schützen. Ziel ist es, ein gemeinsames europäisches Konzept
zu entwickeln, dass gewährleisten soll, dass über die Zukunft unbegleiteter Minderjähriger
von den zuständigen Behörden so schnell wie möglich, vorzugsweise innerhalb
von 6 Monaten, entschieden werde. Vorrangig sollen die Mitgliedsstaaten
nach den Familien der Minderjährigen im Heimatland suchen und die Möglichkeit
einer Rückkehr nach dort prüfen.
Es gibt keine exakten Zahlen über unbegleitete Minderjährige in der EU. 2009 haben
ca. 11.000 Minderjährige in der EU Asyl beantragt. 2008 waren es ca. 9.600.
Der Aktionsplan geht davon aus, dass das Wohl der Kinder vorrangig berücksichtigt
werden soll und die Kinder im Einklang mit den jeweiligen Gesetzen und Regelungen
der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten behandelt werden. Nun soll alles
dafür getan werden, ein Umfeld zu schaffen, das es den Kindern erlaubt, in deren
Herkunftsländern einen angemessenen Lebensstandard und eine gute Perspektive
für ihre persönliche Entwicklung zu erhalten.
Innerhalb der EU sollen sie vor kriminellen Machenschaften, Menschenhandel und
anderen Formen von Ausbeutung und Gewalt geschützt werden. Verfahrensgarantien
und Aufnahmemaßnahmen sollen ab dem Zeitpunkt, zu dem das Kind in einem
Mitgliedsstaat oder an einer Außengrenze angetroffen wurde, angewandt werden.
Von entscheidender Bedeutung sind die dabei die Einrichtung einer Vormundschaft
und der erforderliche Rechtsbeistand für das Kind.
Die Umsetzung des Aktionsplans hängt von der Unterstützung aller Beteiligten ab.
Die Kommission wird Mitte 2012 und 2015 über die Umsetzung berichten.
D.) Rückübernahmeabkommen etc.
1.) Rückübernahmeabkommen zwischen Griechenland und der Türkei
Am 14.05.2010 ist ein Rückübernahmeabkommen zwischen Griechenland
und der Türkei vereinbart worden. Die Türkei verpflichtet sich darin,
innerhalb von 3 Monaten im Hafen von Izmir oder in der näheren Umge8
bung ein Grenzbüro zu eröffnen, das für die Überstellung illegaler Migranten
zuständig sein soll. Dabei hat die Türkei bereits erklärt, mindestens
1000 Überstellungsanfragen zu akzeptieren.
2.) Rückübernahmeabkommen mit Pakistan
Das EU-Parlament hat am 21.09.2010 einen Kompromiss zur Erleichterung
der Rückkehr illegaler pakistanischer Einwanderer angenommen.
Die Kommission verhandelte seit 8 Jahren mit Pakistan über ein solches
Abkommen mit dem Ziel engerer Zusammenarbeit im Bereich der Einwanderung.
Pakistan verpflichtet sich nach Ratifizierung des Abkommens, seine
Staatsbürger, die nach dem Inkrafttreten des Abkommens illegal in die EU
einwandern, wieder aufzunehmen. Die EU wird Pakistan bei den Rückübernahmen
technisch unterstützen, insbesondere werden die Transportkosten
pakistanischer Staatsbürger vom jeweils ausweisenden Staat getragen.
Reagiert Pakistan innerhalb von 60 Tagen nicht auf Rücknahmeanträge, gilt
dies als Zustimmung. Zudem sieht der Kompromiss eine Verpflichtung zu
einem Dialog Pakistans mit der EU über legale Einwanderung und Visumsverfahren
vor. Das Abkommen ist auch auf Drittstaatsangehörige und
Staatenlose anwendbar, wenn sie beispielsweise aus Pakistan unmittelbar
illegal in die EU einreisen würden.
Seit dem 01.12.2010 gilt das Rückübernahmeabkommen zwischen der EU
und Pakistan. Ausdrücklich wurde vereinbart, dass es nur für Personen gilt,
die nach dem Inkrafttreten in die EU oder nach Pakistan einreisen (also
ausdrücklich nicht für diejenigen, die sich vor diesem Zeitpunkt schon beispielsweise
in EU-Staaten aufhalten).
In einer dem Abkommen beigefügten Minderheitenmeinung lehnen die
Fraktionen der SPD, der Grünen und einiger anderer kleinerer Parteien den
Kompromiss ab. Pakistan weise Defizite über Menschenrechtsschutz auf,
habe die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet und seien
Schlupflöcher und Unklarheiten im Abkommen enthalten. Da auch Flüchtlinge
aus Afghanistan den Weg über Pakistan nutzen, war es vor Abschluss
des Abkommens zu Kritik von EU-Parlamentariern von verschiedenen
NGO’s gekommen, weil Pakistan weder die Genfer Konvention unterzeich9
net hat, noch die Sicherheit von zurückkehrenden Staatsangehörigen aus
Drittstaaten (z. B. Afghanistan) gewährleisten könne. Trotz dieser Bedenken
hatte allerdings das EU-Parlament bereits am 21. September 2010
mehrheitlich dem Abkommen zugestimmt.
3.) Abkommen mit Georgien über Visaerleichterungen
Die EU hat mit Georgien am 17.06.2010 ein Abkommen über Visaerleichterungen
abgeschlossen. Der Zeitpunkt der Unterzeichnung eines Rückübernahmeabkommens
ist derzeit noch offen. Das Visaabkommen dient der
Bekämpfung illegaler Einwanderung. Es verkürzt die Fristen der Visavergabe
und senkt Gebühren deutlich. Einige Personengruppen werden von
Gebührenpflichten befreit. Sobald das noch erforderliche Verfahren im Rat
abgeschlossen sein wird, soll auch das Rückübernahmeabkommen förmlich
unterzeichnet werden. Visaerleichterungs- und Rückübernahmeabkommen
werden am selben Tag in Kraft treten. Die Verhandlungen über das Rückübernahmeabkommen
zwischen der EU und Georgien wurden bereits am
25.11.2009 abgeschlossen.
E.) EU Richtlinien und Verordnungen/ Stand und Evaluationen
1.) Qualifikationsrichtlinie – EU-Kommission berichtet über die Umsetzung
Am 16.06.2010 veröffentlichte die EU-Kommission einen Bericht zur
Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie. Grundsätzlich wird festgestellt,
dass die in der Richtlinie festgelegten Mindestnormen nicht in allen Mitgliedsstaaten
eingehalten werden. Sowohl in Bezug auf die Gewährung des
Schutzstatus, als auch auf die Art des Schutzes erhebliche Unterschiede
bestehen. Am 21.10.2009 hatte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung
der Qualifikationsrichtlinie vorgelegt. Die Verhandlungen darüber
dauern an.
Wegen mangelhafter Umsetzung hatte die Kommission zunächst insgesamt
19 „Fristsetzungsschreiben“ und 13 „mit Gründen versehene Stellungnahmen“
an die betreffenden Mitgliedsstaaten versandt. Bei 9 Mitgliedsstaaten
wurde beschlossen, den Gerichtshof anzurufen. Die Klagen wurden zurückgezogen,
4-mal entschied der Gerichtshof. Inzwischen haben alle Mitgliedsstaaten
mitgeteilt, dass sie die Richtlinie „vollständig“ umgesetzt hätten.
2.) Aufenthaltsrecht in der EU für Flüchtlinge und Personen mit internationalem
Schutzstatus
EU-Parlament und Ministerrat haben sich am 15.12.2010 auf eine neue
Regelung geeinigt, nach der Flüchtlinge und Personen mit internationalem
Schutzstatus die Rechtstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in
der EU erhalten können. Damit erhalten Flüchtlinge, die gleichen Rechte
wie Drittstaatsangehörige mit langfristigem Aufenthaltsstatus. Dazu gehört
auch das Recht, sich innerhalb der EU frei bewegen zu dürfen sowie unter
bestimmten Voraussetzungen das Recht auf Gleichstellung mit EU-Bürgern
in zahlreichen wirtschaftlichen und sozialen Belangen. Die Novelle zur 2003
verabschiedeten EU-Richtlinie (Richtlinie 2003/109/EG) für langfristig Aufenthaltsberechtigte
soll allen Personen zugutekommen, die internationalen
Schutz genießen und sich länger als 5 Jahre rechtmäßig im Hoheitsgebiet
der EU aufhalten, jedoch (bisher) keinen Anspruch auf den Status eines
langfristig Aufenthaltsberechtigten haben. Praktische Konsequenz wird u. a.
sein, dass es den Flüchtlingen ermöglicht wird, ihren Wohnsitz in einem anderen
Mitgliedstaat zu wählen, als denjenigen, welcher sie als Flüchtling
anerkannt hat. Auch Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Leistungen sozialer
Absicherung sowie zu Bildungseinrichtungen werden in gleicher Weise geregelt,
wie für sonstige Drittstaatsangehörige.
Die Umsetzungsfrist für diese Neuregelung beträgt 2 Jahre. Großbritannien,
Irland und Dänemark haben von der Möglichkeit des „Opt-Out“ Gebrauch
gemacht und der Richtlinienänderung für ihre Staaten nicht zugestimmt.
3. Kommissionsbericht zur Anwendungspraxis der Asylverfahrensrichtlinie
Am 08.09.2010 veröffentlichte die EU-Kommission einen Bericht über die
Anwendung der Asylverfahrensrichtlinie (RL 2005/85/EG). Insgesamt
wurde deutlich, dass sich die Verfahrensgarantien der EU-Staaten weiterhin
erheblich unterscheiden. Fakultative Bestimmungen und Ausnahmeregelungen
zur Richtlinie resultierten in einem Anstieg voneinander abweichender
Regelungen. Dadurch komme es vor allem zu Unterschieden bei den
Vorschriften zu beschleunigten Verfahren, zu sicheren Herkunfts- und Drittstaaten,
zur persönlichen Anhörung und Rechtsberatung sowie zum Zugang
zu wirksamen Rechtsbehelfen. Die Kommission stellte fest, dass
durch Ungenauigkeiten der Bestimmungen in der RL und durch teilweise
unvollständige Umsetzungen auf nationaler Ebene Fehler bei der Anwendung
durch nationale Behörden nicht auszuschließen seien.
Bezüglich der Aufnahme- und der Asylverfahrensrichtlinie wurden Berichte
2010 vorgelegt, und Vorschläge zu Änderungen der RL schon im
Oktober 2009 gemacht, ein Fortschritt ist jedoch bisher nicht erkennbar.
Angeblich werden derzeit („behind closed doors“)Verhandlungen geführt.
Deren Einzelheiten sind jedoch unbekannt.
In der EU fordern insbesondere Frankreich, Deutschland und Großbritannien,
dass nur noch auf der Ebene der „praktischen Kooperation“ gearbeitet
wird und möglichst keine weitere Gesetzgebung (Richtlinien und Verordnungen)
erfolgen soll.
Auf ihrer Sitzung Anfang November 2010 haben die zuständigen EU-Innenund
Justizminister das „Gesamtpaket mit 6 Änderungsvorschlägen zur
Dublin- und Eurodac-Verordnung, zur Richtlinie über den langfristigen Aufenthalt,
zur Qualifikationsrichtlinie sowie zur Aufnahmerichtlinie und zur
Asylverfahrensrichtlinie erörtert. Anschließend war zu hören, dass sich die
Verhandlungen insbesondere zur Richtlinie „Aufnahmebedingungen“ und
zur Richtlinie „Asylverfahren“ sehr kompliziert gestalten und länger dauern
werden, als zunächst vorgesehen. Die übrigen Richtlinien sollten kurzfristig
geändert werden können. Wie bereits beschrieben, ist dies für die Richtlinie
bezüglich der Flüchtlinge, die den Status als langfristig Aufenthaltsberechtigter
erhalten können, bereits geschehen.
Bezüglich einer Revision der Dublin-II-Verordnung haben Malta, Griechenland
und Zypern gefordert, dass mehr „innereuropäische Solidarität“ geübt
werden solle. Deutschland und Österreich haben demgegenüber angeführt,
dass die funktionierende Dublin-II-Verordnung in der bisherigen Form auch
Kernstück für eine zukünftige Regelung sein müsse.
4.) EU-Parlament verabschiedet Richtlinien zum Recht auf Übersetzung
und Strafverfahren
Das EP hat am 16.06.2010 eine Richtlinie angenommen, die gewährleistet,
dass EU-Bürger in Strafprozessen in einem anderen Mitgliedsstaat ihre
Muttersprache anwenden können. Hiermit hat ein Unionsbürger im Unionsausland
das Recht auf Dolmetscher vor Polizeiverhören, Gerichtsverhandlungen
und der Kommunikation mit seinem Anwalt. Zudem sollen alle notwendigen
Dokumente übersetzt werden. Diese Richtlinie ist die erste Stufe
in einer Reihe von Maßnahmen zur Festlegung gemeinsamer EU-Mindestvorschriften
für Strafrechtsfälle. Es handelt sich auch um die erste europäische
Gesetzgebung im Strafrecht, die zwischen dem EU-Parlament und
dem Rat im Mitentscheidungsverfahren verhandelt wurde. Die Richtlinie soll
auch in Großbritannien und Irland gelten, nicht jedoch in Dänemark.
F. Sonstiges
1.) Visumsfreiheit für Albanien, Bosnien und Herzegowina
Seit dem 15. Dezember 2010 wurde die Visumspflicht für Staatsangehörige
Albaniens, Bosniens und Herzegowinas aufgehoben. Ein entsprechender
Beschluss des Rates der Europäischen Innen- und Justizminister über die
Aufhebung der Visumspflicht erging am 08.11.2010.
Praktische Konsequenz ist, dass Bürger aus den genannten Staaten ohne
Visum für 90 Tage pro Halbjahr in die meisten EU-Staaten (außer Großbritannien
und Irland) einreisen können, ferner in die Schweiz, nach Norwegen
und Island. Damit sind jetzt mit Ausnahme des Kosovo alle anderen
Bürger von Staaten des westlichen Balkans von der Visumspflicht befreit.
2.) Erster Jahresbericht zum Pakt für Einwanderung und Asyl
Die EU hatte im 10.2008 den Pakt zu Einwanderung und Asyl angenommen.
Die im Rahmen des Pakts eingegangenen grundlegenden Verpflichtungen
betreffend die legale Einwanderung und Integration, die illegale
Einwanderung, Grenzkontrollen, Asyl und die Partnerschaft mit den Herkunfts-
und Transitländern werden durch das Stockholmer Programm und
dem dazugehörigen Aktionsplan weiter ausgestaltet. Er sieht eine jährliche
Berichterstattung der EU-Kommission vor. Ein erster Bericht für 2009 wurde
am 4. Mai 2010 vorgelegt. Er steht auf der Seite EUR-Lex (14 Seiten).
3.) Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen
(EASO)
Am 18.05.2010 hat das Europäische Parlament der Einrichtung eines Europäischen
Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) zugestimmt. Es wird
in La Valletta/Malta eingerichtet und soll die Zusammenarbeit der nationalen
Behörden verstärken, unterstützen und koordinieren. Es wird seine Arbeit
offiziell zum Jahresbeginn 2011 aufnehmen.
4.) EU-Parlament gegen Abschiebungen von Roma in den Kosovo
Das EU-Parlament hat in einer Resolution am 08.07.2010 die Mitgliedsstaaten
aufgefordert, keine Abschiebungen von Roma in den Kosovo durchzuführen.
Dem lag die Aussage des Menschenrechtskommissars des Europarates,
Hammerberg, zugrunde, wonach der Kosovo zurzeit keine angemessenen
Bedingungen für die Reintegration von zwangsweise zurückgeführten
Roma bieten könne. In der Resolution werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert,
ihre Hilfsprogramme für den Kosovo weiter auszubauen.
Die in Deutschland lebenden Roma aus dem Kosovo halten sich hier
durchschnittlich seit ca. 14 Jahren auf. Etwa die Hälfte ist jünger als 18
Jahre. Die meisten sind in Deutschland geboren worden. Insgesamt geht es
um ca. 12.000 Personen. Wenn sie in den Kosovo zurückkehren, können
ca. ¾ der Kinder nicht in die Schule gehen. Eine nicht geringe Zahl lebt auf
„bioverseuchten Grundstücken“, die wegen des bleihaltigen Bodens die
Gesundheit bedrohen. Fast alle leben in extremer Armut (Roma-Studie von
Verena Knaus und Peter Wittmann, 2010).
Der Presse war am 20.10.10 zu entnehmen, das der Streit um die französische
Politik gegen Roma (wg. Gruppenabschiebungen nach Rumänien und
Bulgarien) beigelegt sei. Die Kommission verzichtet auf ein Strafverfahren.
Frankreich habe ausreichende Garantien zur Umsetzung des EU-Rechts
gegeben.
5.) Regelung von Asylverfahren in den Niederlanden
Seit dem 01. Juli gelten in den Niederlanden neue Regelungen für ein Asylverfahren.
Abgeschafft wurde die bisherige „48-Stunden-Verfahrensregelung“
(tatsächlich zwischen 5 und 6 Tagen). Durch die nunmehr eingeführte
Verlängerung in den Anmeldezentren auf 8 Tage sollen die Antragsteller
bereits während ihres Aufenthaltes in den Erstaufnahmeeinrichtungen möglichst
früh Klarheit über ihr Asylbegehren erhalten.
Anträge, bei denen noch länger andauernde Untersuchungen/Ermittlungen
etc. notwendig seien (z. B. Untersuchung von Dokumenten) werden nach
Ablauf der 8 Tage im sogenannten „verlängerten Asylverfahren“, das maximal
8 Wochen dauern soll, weiter bearbeitet. Vor Verfahrensbeginn wird
dem Antragsteller eine 6-tägige Ruhe- und Vorbereitungszeit eingeräumt.
Die Entgegennahme eines Asylgesuchs erfolgt zunächst bei der zentralen
Anmeldestelle der Ausländerpolizei in Ter Apel. Am zweiten oder dritten
Tag nach der Anmeldung wird der Asylbewerber einen der Anmeldezentren
in Ten Bosch, Ter Apel oder Zevenaar zugewiesen. Dort beginnt die Ruheund
Vorbereitungszeit während der sich der Antragsteller mit dem obligatorisch
zur Seite gestellten Rechtsanwalt beraten kann. In dieser Zeit werden
auch die einbehaltenen Dokumente auf Echtheit geprüft, ggf. wird ein Überstellungsersuchen
nach Dublin II vorbereitet oder gestellt. Auch wird der
Asylbewerber aufgefordert, an der Fertigung eines medizinischen Gutachtens
mitzuwirken, um festzustellen, ob psychische oder physische Probleme
die Anhörung beeinflussen können. Hierzu besteht allerdings keine
Verpflichtung. Verpflichtend ist nur ein TBC-Test durch die Aufnahmebehörde.
Nach 6 Tagen sollen dann die Untersuchungsergebnisse der Ausländerpolizei
vorliegen und mit der Unterzeichnung des Asylantrages gilt der Antrag
als gestellt und das eigentliche 8-tägige Verfahren kann beginnen. Ein Mitarbeiter
der Einwanderungsbehörde IND ist für das Verfahren der zentrale
Ansprechpartner. Ziel ist es, mehr Verfahren als zuvor in der 8-tägigen
Phase abzuschließen und weniger im verlängerten Verfahren zu bearbeiten.
Ferner sollen Anträge, mit denen aufgrund gesundheitlicher/medizinischer
Gründe ein Aufenthaltsstatus in den Niederlanden beantragt wird, künftig
parallel zum Asylverfahren bearbeitet werden. Das soll zu einer Reduzierung
von Asylfolgeanträgen führen und verhindern, dass Personen nach
Abwendung ihres Asylantrages obdachlos werden.
6.) Türkische Staatsangehörige in den Niederlanden nicht zur Integration
verpflichtet
Mit Urteil vom 12.08.2010 hatte das Verwaltungsgericht Rotterdam entschieden,
dass türkische Einwohner mit einer Aufenthaltserlaubnis nicht zur
Teilnahme an Integrationsmaßnahmen verpflichtet werden können. Eine
solche Verpflichtung verstoße gegen die Nicht-Diskriminierungsregel im Assoziationsabkommen
zwischen der EU und der Türkei. Das Ministerium hat
inzwischen gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung eingelegt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts war es nicht erlaubt, im Hinblick
auf die Integrationspflicht einen Unterschied zwischen türkischen Staatsangehörigen
und Unionsbürgern zu machen. Außerdem würde die Integrationspflicht
die Betroffenen beim Zugang zum Arbeitsmarkt hindern, da laut
Abkommen keine neuen Maßnahmen erlassen werden dürfen, die die Einbindung
von Türken in den europäischen Arbeitsmarkt erschweren. Bei
Nichtbestehen des Integrationskurses würden diese Chancen aber eingeschränkt.
7.) Gaddafi fordert 5 Mrd. Euro für Abwendung illegaler Migration
Bei seinem Besuch in Rom am 30.08.2010 forderte Gaddafi von der EU
eine jährliche Zahlung von 5 Mrd. Euro für den Kampf gegen illegale
Migration aus Afrika. Libyen sei das „Einfallstor unerwünschter Immigration“.
Deswegen könne auch nur Libyen diese an seinen Landesgrenzen
stoppen. Im Falle der Nichtzahlung werde sich Europa zu einem
zweiten Afrika entwickeln. Die Kommission wies die Forderung am
02.09.2010 als „zu hoch“ zurück. Illegale Migration könne mit geringeren
Mitteln bekämpft werden. Langfristig wolle man aber ein Abkommen mit
Libyen auf dem Gebiet der illegalen Migration schließen.
Die EU- Kommission ist der Ansicht, dass eine Lösung billiger zu haben sei.
Anlässlich eines Besuchs in Tripolis/Libyen stellte die zuständige EUInnenkommissarin
Malmström im November in Aussicht, dass die EU von
2011 – 2013 insgesamt 60 Millionen Euro zum Aufbau eines Asylsystems in
Libyen zur Verfügung stellen wolle.
Abgeordnete des Europäischen Parlaments (u. a. Kreissel-Dörfer/SPD) kritisierten
insbesondere, dass die Kommission hier verhandle, ohne das
Parlament zu informieren. Es seien wichtige Dokumente insbesondere zu
den Rahmenvereinbarungen nicht vorgelegt worden. Auch bleibe unberücksichtigt,
dass Libyen bisher weder die Genfer Konvention unterschrieben,
noch ein asylrechtliche Normen in sein nationales Recht implementiert
hat.
8.) ELENA-Studie zu Rechtshilfe für Asylsuchende
Wie bereits mehrfach berichtet, haben die ELENA- Koordinatoren sich 2010
bemüht, einen Überblick zu den Rechtshilfemöglichkeiten in insgesamt 19
europäischen Staaten zu liefern („Survey On Legal Aid For Asylum Seekers
in Europe“).
Wie zu erwarten, ergab sich, dass erhebliche Unterschiede sowohl bei der
institutionellen Verortung als auch bei den finanziellen Voraussetzungen für
Rechtshilfe in den 19 Staaten bestehen. Dies gilt beispielsweise für die un17
terschiedlichen formalen Anforderungen, die an Rechtsberater oder
Rechtsanwälte gestellt werden, um Rechtshilfe für die Klienten zu erhalten.
Dies variiert von Staaten, die keine spezifischen Qualifikationen für die
Rechtsberatung verlangen bis zu solchen, in denen der Nachweis erfolgreicher
Teilnahme an regelmäßigen Fortbildungskursen zum Flüchtlingsrecht
gefordert werden.
Erhebliche Unterschiede bestehen auch bezüglich der Frage der Anwesenheit
und Handlungsmöglichkeiten von Beratern im Rahmen von Anhörungen
bei den jeweiligen nationalen Behörden, die über die Anerkennung der
Flüchtlinge entscheiden.
Auf vergleichbare Schwierigkeiten stoßen in den verschiedenen Ländern
Beratung und Gewährung von Rechtshilfe bei beschleunigten Verfahren, da
Verfahren nach „Dublin-II-Überstellungen“ sowie bei Verfahren an der
Grenze.
Die Studie liegt leider nur auf Englisch vor. Aus meiner Sicht für die Praxis
besonders von Belang ist das 4. Kapitel, in dem Vergleiche zwischen den
verschiedenen Rechtshilfesystemen gezogen werden. Auf Anfrage bin ich
gerne bereit, die vollständige Studie per E-Mail zu übermitteln.
Bielefeld, 20.12.2010
Holger Hoffmann