Pressemitteilungen 2015

PRESSEMITTEILUNG vom 09.05.2015

„Bessere Asylverfahren statt schnellerer Abschiebungen!“

Rechtsanwälte kritisieren Asylpläne der Bundesregierung

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Freiburg, 9.5.2015

Die Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände hat die Pläne von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten schneller abzuschieben, scharf kritisiert. „Der Minister fällt seiner eigenen Illusion zum Opfer“, sagte Rechtsanwalt Michael Koch aus Würzburg, einer der Sprecher der Konferenz, in der rund 60 im Asylrecht tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusammengeschlossen sind. „Man hat Länder wie Serbien und Bosnien für angeblich sicher erklärt, nun glaubt man, dass die Menschen, die von dort kommen, keinen Schutz verdienen. Dabei gehören viele davon der Minderheit der Roma an, die extrem diskriminiert wird, etwa beim Zugang zu Bildung und Gesundheitsleistungen.“

Es sei das falsche Signal, so Koch, wenn diese Menschen nicht mehr auf die Kommunen verteilt würden. „So wird diese Minderheit weiter isoliert und stigmatisiert.“ Es sei dringend erforderlich, in die Asylverfahren zu investieren. „Dies aber nicht, um schneller abzuschieben, sondern um die Qualität der Verfahren zu verbessern und denen, die Schutz brauchen, schneller Sicherheit zu geben.“ Viele Asylbewerber warten monatelang, manche mehrere Jahre auf ihren Bescheid. „Gerade bei den Roma brauchen wir statt Schnellabschiebungen gründliche Verfahren und differenziertere Prüfungen, um die Folgen lebenslanger Diskriminierung zu erkennen.“

Die Anwältinnen und Anwälte kritisierten, dass Bund und Länder sich nicht auf konkrete Verbesserungen bei der Unterbringung und medizinischen Versorgung von Flüchtlingen einigen konnten. „Asylanträge werden über Monate nicht registriert, die Erstaufnahmen sind hoffnungslos überfüllt, das Leben in provisorischen Unterkünften in Turnhallen oder Containern ist extrem belastend. Unter diesen Umständen können Schutzsuchende sich nicht angemessen auf ihr Asylverfahren vorbereiten“, so Rechtsanwalt Heiko Habbe aus Berlin.

Der Vorstoß der Bundesregierung für eine zwingende europaweite Quote zur Flüchtlingsaufnahme ist nach Auffassung der Konferenz den Flüchtlingen nicht zuzumuten, solange keine einheitlichen Asylstandards in allen EU-Staaten umgesetzt sind. Zugleich forderten die Teilnehmenden der Konferenz, Asylsuchenden sichere und legale Einreisewege nach Europa zu öffnen. „Europa darf dem Sterben im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen“, sagte Prof. Dr. Holger Hoffmann von der Fachhochschule Bielefeld. „Rettung und Aufnahme von Flüchtlingen muss die gemeinsame Aufgabe aller europäischen Staaten sein.“ In diesem Zusammenhang seien die jüngsten Beschlüsse der EU enttäuschend, weil sie überwiegend auf eine weitere Abschottung gegen Flüchtlinge zielten.

Die Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland und Deutsches Rotes Kreuz sowie dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) es sich seit über drei Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht haben, Rechtsberatung für Asylsuchende und ausländische Flüchtlinge durchzuführen. Ihre Mitglieder treffen sich regelmäßig zum Informations- und Meinungsaustausch, geben Fachpublikationen heraus und melden sich öffentlich zu Wort, wenn es um Asylsuchende und ausländische Flüchtlinge geht.
Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Rechtsanwalt Michael Koch, Textorstr. 9, 97070 Würzburg, Tel. 0931-52142, E-Mail koch@unsere-anwaelte.de
Rechtsanwalt Heiko Habbe, Witzlebenstr. 30a, 14057 Berlin, Tel. 040-514 93 271, E-Mail RA.Habbe@gmx.de
Prof. Dr. jur. Holger Hoffmann, FH Bielefeld, Postfach 10 11 13, 33511 Bielefeld, Tel. 0521/106-7844, E-Mail holger.hoffmann@fh-bielefeld.de


PRESSEMITTEILUNG vom 24.10.2015

Etikettenschwindel „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“: Gesetzgeber auf dem Irrweg

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Berlin, 24.10.2015

Die Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände sieht im heute in Kraft getretenen Gesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren einen Etikettenschwindel. „Das Gesetz enthält nicht eine einzige Vorschrift, die tatsächlich die Beschleunigung der Verfahren zum Gegenstand hätte“, sagt Rechtsanwalt Michael Koch aus Würzburg, einer der Sprecher der Konferenz, in der rund 65 im Asylrecht tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusammengeschlossen sind. „Stattdessen setzt es massiv auf Abschreckung von Flüchtlingen aus bestimmten Ländern und schreckt dabei auch vor offenem Verfassungsbruch nicht zurück. Dieses Gesetz ist eine Ohrfeige für alle, die sich in Deutschland mit hohem persönlichen Einsatz für Flüchtlinge stark machen.“ Koch betont, dass eine Beschleunigung der Verfahren sinnvoll wäre. „Für Flüchtlinge ist es wichtig, so früh wie möglich zu erfahren, ob sie Schutz erhalten, um sich dann auch integrieren zu können.“

„Der Gesetzgeber beschreitet einen Irrweg, der die Probleme nicht lösen wird, sondern eine aufkeimende flüchtlingsfeindliche Stimmung beschwichtigen soll, tatsächlich aber anheizt“, kritisiert Rechtsanwalt Heiko Habbe aus Hamburg. „Schutzsuchende sollen noch länger in den ohnehin schon überfüllten Aufnahmeeinrichtungen ausharren, deren drangvolle Enge Auseinandersetzungen begünstigt. Mit verlängerten Arbeitsverboten wird Integration erschwert. Die Sozialleistungen für bestimmte Gruppen werden unter das physische Existenzminimum abgesenkt – ein klarer Verstoß gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das ausdrücklich festgestellt hat: Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

Die Rechtsberaterkonferenz fordert die Bundesregierung auf, umgehend eine echte Beschleunigung der Asylverfahren zu veranlassen und Integration zu erleichtern. Als erste Maßnahmen sollten dazu gehören:

 – Die zügige Anerkennung von Flüchtlingen aus Ländern, in denen Verfolgung außer Frage steht (z. B. Syrien und Eritrea), möglichst schon bei Registrierung,

 – eine großzügige Altfallregelung für Antragsteller, die schon mehr als ein Jahr auf eine Entscheidung warten,

 – einen ungehinderten Arbeitsmarktzugang für alle Flüchtlinge nach drei Monaten, um Integration zu erleichtern und die Sozialleistungsträger zu entlasten,

 – einen Zugang zu Sprachkursen für alle Asylsuchenden und einen deutlichen Ausbau der Kapazitäten,

 – eine zügige und deutliche Aufstockung durch qualifiziertes Personal für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,

 – die Umsetzung der EU-Asylverfahrensrichtlinie, die Fristen für die Registrierung und Bearbeitung von Asylanträgen vorsieht,

 – die Schaffung legaler Einreisewege für Flüchtlinge aus Krisenregionen, um ihnen gefahrvolle Reisen zu ersparen und das Asylverfahren zu entlasten,

 – eine europäische Initiative zur gemeinsamen Übernahme von Verantwortung für Flüchtlinge,

 – die Erleichterung von Zuwanderung zu anderen als Asylzwecken, etwa Arbeitsvisa auch für geringer qualifizierte Beschäftigungen,

 – die Rücknahme der verlängerten Wohnpflicht in Erstaufnahmeeinrichtungen, stattdessen Förderung der kommunalen Unterbringung und Verzicht auf die Sammelunterbringung, wenn privater Wohnraum zur Verfügung steht,

 – die Rücknahme der verfassungswidrigen Einschnitte im Asylbewerberleistungsgesetz,

 – die Rücknahme der Erklärung des Westbalkans zur „sicheren Herkunftsregion“, da dies zu keiner Beschleunigung der Verfahren führt; stattdessen muss insbesondere die Situation der Roma-Minderheit aus diesen Ländern in Asylverfahren gründlicher geprüft werden.

Die Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland und Deutsches Rotes Kreuz sowie dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) es sich seit über drei Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht haben, Rechtsberatung für Asylsuchende und ausländische Flüchtlinge durchzuführen. Ihre Mitglieder treffen sich regelmäßig zum Informations- und Meinungsaustausch, geben Fachpublikationen heraus und melden sich öffentlich zu Wort, wenn es um Asylsuchende und ausländische Flüchtlinge geht.
Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Rechtsanwalt Michael Koch, Textorstr. 9, 97070 Würzburg, Tel. 0931-52142, E-Mail koch@unsere-anwaelte.de
Rechtsanwalt Heiko Habbe, Eifflerstr. 3, 22769 Hamburg, Tel. 040-514 93 271, E-Mail RA.Habbe@gmx.de
Prof. Dr. jur. Holger Hoffmann, FH Bielefeld, Postfach 10 11 13, 33511 Bielefeld, Tel. 0521/106-7844, E-Mail holger.hoffmann@fh-bielefeld.de